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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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hinab. Ich krachte mit dem Steißbein auf den Boden und schlug mir den Hinterkopf am Felsen an.
    Er kniete sich neben mich. »Ich will Sie auf keinen Fall bewusstlosschlagen. Erst müssen Sie mir noch helfen, einige von denen hier in die Höhle zu tragen.« Er deutete auf ein paar Steine, dann stand er auf und reichte mir die Hand. »Sie fragen sich wahrscheinlich, weshalb ich nicht einfach die Coydogs auf Sie loslasse. Sie haben noch nie gesehen, wie sie ein Wild erlegen, oder? Jeder von ihnen schnappt sich ein Bein und rennt los – wenn man den Kadaver ein paar Tage später im Wald findet, sieht er aus wie ein zerlegter Puter nach dem Thanksgiving-Essen.«
    Ich stand auf und rieb mir den Hinterkopf.
    »Das Problem ist, dass letztendlich die armen Tiere dafür büßen müssten. Sie sind ausgezeichnet abgerichtet, und Zeldin oder jemand aus der Verwaltung würde sie einschläfern lassen, weil sie Ihnen wehgetan haben. Das wäre kein gutes Geschäft«, sagte Phelps kopfschüttelnd. »Was bleibt mir also anderes übrig?«
    Ich musste es nicht laut aussprechen. Es gab nur eine Sache, die er mir hier oben antun wollte.
    »Wissen Sie eigentlich, Miss Cooper, dass die ersten Grüften in Höhlen untergebracht waren? Tiefe, kühle Höhlen eignen sich wunderbar als Grabstätten. Wir bauen Ihnen Ihre eigene Gruft, Alex. Eine Sonderanfertigung, speziell für Sie. Poe hätte seine Freude daran gehabt.«

 

45
     
    Schreien war zwecklos. Zumindest vorerst. Ich wollte nicht geknebelt oder gefesselt werden, bevor ich nicht alles versucht hatte, um mit dem Leben davonzukommen.
    »Fangen Sie dort drüben an.« Sinclair Phelps stieß mir seine Schrotflinte in den Rücken. »Sie sind eine kräftige junge Frau. Sie schaffen das schon.«
    Ich durchschaute seinen Plan. Mir war klar, was er vorhatte. Alles musste so aussehen, als wäre ich von einem Steinschlag überrascht worden. Allerdings konnte das nur funktionieren, wenn außer mir niemand eins und eins zusammenzählte und ihn mit den Morden in Verbindung brachte.
    Ich hob einen großen Stein auf – er wog mindestens zehn Kilo – und trug ihn langsam zum Höhleneingang.
    »Hinein mit Ihnen. Na los!« Er stieß mir wieder das Gewehr in den Rücken. »Alle diese Fledermausgeschichten sind eine Mär. Fledermäuse sind sehr ängstliche Tiere. Sie kommen Ihnen nicht zu nahe.«
    Phelps drängte mich tiefer in die Höhle und zeigte mir, wo ich den Stein ablegen sollte. Über mir hingen die Fledermäuse von den Felswänden.
    »›Hält schwarz die Fledermaus nun Mittnachtswache‹. Kennen Sie das, Miss Cooper?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Das Kolosseum . Eines der unbekannteren Gedichte Poes.« Er beobachtete mich, als ich den Stein absetzte.
    »Musste sich Aurora Tait ihr Grab auch selbst bauen?«, fragte ich.
    Phelps lachte. »Aber nein. Im Gegensatz zu Ihnen war es ein Einfaches, sie in die Höhle zu locken, Miss Cooper.«
    »Vermutlich haben Sie ihr Heroin versprochen.«
    »H 4. Den besten Stoff, den es gibt. Sie bettelte wie ein Baby um sein Fläschchen.«
    »Warum ausgerechnet dort? Weil Poe dort einmal gewohnt hatte?«
    »Machen Sie weiter.« Er wusste, dass ich Zeit schinden wollte, aber nach all den Berufsjahren, die seiner Bildung und Intelligenz nicht im Mindesten gerecht geworden waren, wollte er mit seinem Wissen angeben. »Das war eine Ironie des Schicksals. Kennen Sie Das Fass Amontillado ?«
    Ich schleppte den nächsten Stein heran und tat so, als hätte ich mir den Knöchel verstaucht. »Die ultimative Rachegeschichte. Natürlich kenne ich die. Sie meinen, es war nur Zufall, dass Sie sie in diesem Keller eingemauert haben?«
    »Der Vermieter war ständig am Renovieren und Umbauen. Wahrscheinlich war die Bruchbude schon vor hundert Jahren nicht bewohnbar.«
    »Hat Aurora mitbekommen, was Sie mit ihr vorhatten?«
    »Sie war nicht mehr so ganz bei Sinnen wie Sie, Miss Cooper. Und auch nicht so belesen. Es amüsierte sie, dass ich Bauarbeiter war. Wenn sie high war, sah sie mir gerne bei der Arbeit zu. Ich gab ihr am Nachmittag den Stoff, sie setzte sich einen Schuss und bekam fürs Erste nichts mehr mit. Als ich sie über meine Schulter hievte und an die Wand lehnte, kam sie langsam wieder zu sich. Können Sie sich vorstellen, wie sie mich ansah, als ihr klar wurde, was ich vorhatte?«
    In meiner momentanen Lage konnte ich es mir nur zu gut vorstellen.
    »Sie hatte mich verraten. Sie hat jede Sekunde dieses schaurigschönen Todes verdient. Ihretwegen habe ich alles
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