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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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Fragte er sie in seiner rauhen Art: »Was hast du denn? Fehlt dir was?«, erhielt er keine Antwort. Verletzt wandte er sich ab und verbiß sich in seine Arbeit.
    Über den Ereignissen der letzten Woche hatte er den Töpferofen vergessen. Als er ihn aufräumte, fand er ganz oben, über mißratenem, geborstenem und beim Brennen verbogenen Rohgeschirr einzelne Töpfe und Schüsseln, die ungleichmäßig mit einer glänzenden, harten Schicht von goldbraunem Schmelz überzogen waren. Also hatte Eva Salz in den Ofen getan, wie er es vorgehabt, aber versäumthatte! Vergnügt eilte er zu ihr: »Eva, das mit dem Salz war ein guter Einfall von dir.« Doch sie gab fast gleichgültig zurück: »Du wirst es besser können.« Entschlossen, diese Erfindung sobald wie möglich noch vollkommener zu machen, brachte Peter den Ofen wieder in Ordnung und bat die Gefährtin, neue Geschirre zu formen.
    Wo er ging und stand, was er auch arbeitete, immer rätselte er an Evas sonderbarem Wesen herum. Er konnte es sich nicht erklären. Und wieder fielen ihm die Goldkörner ein, aus denen er Sonne, Mond und Sterne zu einem Halsschmuck für sie schmieden wollte. Und wenn sie sich dann freute, wollte er sie in seine Arme schließen und ihr sagen, daß er sie lieb hatte. Voll Zuversicht suchte er seine Pfahlhütte beim Moorbach auf, aus der ihn damals die Baumschlange vertrieben hatte. Er tastete die Stelle ab, wo er das Gold verborgen wußte: Es war nicht mehr da! Weiter suchte er, auch an den unmöglichsten Stellen: Das Gold war nicht mehr da! Sollte Eva ...?
    Er suchte sie vor ihrer Hütte auf, wo sie gerade am Webstuhl arbeitete. Zaghaft wie noch nie wählte er seine Worte, er wollte ihr nicht wehe tun. Nach langem Hin und Her fragte er endlich: »Eva, sag, hast du das Gold genommen?« In jähem Schreck ließ sie die Webnadel fallen und starrte den Fragenden an. Ihre erste Eingebung, einfach »ja« zu sagen, verwarf sie aus Angst vor Peters Zorn. Peter drängte: »Hat's dir die Red' verschlagen? Brauchst nur mit dem Kopf zu nicken. Hast du es oder hast du es nicht?« Er wollte nicht hart mit ihr sein, aber ihr Schweigen reizte ihn. Hochaufgerichtet stand sie vor ihm. Ihre Augen drängten sich aus den Höhlen, ihre Nasenflügel bebten, und ihre Lippen waren fest aufeinandergepreßt. Da packte er sie mit seinen rußigen Händen an beiden Schultern und schüttelte sie. Eva ballte die Fäuste, und heiser brachte sie die Worte hervor: »Ich hab's nicht, und du kriegst's nicht.«
    Da stieß er sie von sich, der Webstuhl fiel polternd um: Die Türe zu ihrer Stube war frei. Er durchwühlte ihr Lager, riß den lehmigen Bodenbelag auf. Nicht einmal von den Herdmauern ließ er Stein auf Stein. Als er endlich, mit Staub und Asche bedeckt, Evas Stube verließ, entschlossen, ihr, wenn es sein mußte, mit Gewalt zu entreißen, wo sie das Gold verborgen hatte, da war Eva nirgends zu sehen. Er suchte sie im Vorratshaus, sogar in seiner eigenen Hütte und fand sie nicht. Jetzt begann er zu rufen, zu schreien: »Eva! Eva!« Nur das Echo, von den fernen Felswänden zurückgeworfen, gab Antwort. Ein furchtbarer Gedanke ließ ihn über den Zaun des Pfahlhofes hinausschauen auf die klare Flut des Moorwassers, wo das Böcklein ertrunken war. Wie ein Gehetzter umkreiste er die Siedlung. Sein Zorn war verflogen. Klagend, bittend klang sein Ruf über den See: »Eva! Eva! Komm doch, ich tu' dir nichts – ich hab' dich ja lieb!« Vor Evas Hintertür kauernd, starrte er hinab zum Wasser. Schwärme von Jungfischen zogen an der Oberfläche dahin, ihre schlanken Leiber glitzerten im Sonnenschein. Ringsum Stille. Da fiel ihm auf, daß Evas Binsenfloß, das gewöhnlich am Steigbaum angebunden war, am Ufer drüben festlag, wo der Torfboden zur Triftleiten anstieg. Jetzt wußte er, daß Eva geflohen war. Bläff, ihre stete Begleiterin, war auch nicht mehr da. Peter schnellte empor, sprang auf sein eigenes Fahrzeug und stieß mit seinem langen, eisenbeschlagenen Speer, der noch vom letzten Jagdgang darauf lag, vom Pfahlbau ab. Ein kräftiger Wind von der Klamm herüber legte sich ihm in den Rücken und beschleunigte seine Fahrt.
    Kaum nahm er sich Zeit, sein Floß neben dem Evas festzupflocken, da begann er den Boden nach Spuren abzusuchen. Er fand niedergetretene Grasbüschel. Wie gehetzt eilte er über den Lehmdamm, der den Moorsee vom Klammbachsee trennte, aufwärts. Die Spuren führten zumMoorbach. Unsicher, wie weit sie im Wasser gegangen sein mochte, hielt er Umschau und
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