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Hochzeit im Herbst

Hochzeit im Herbst

Titel: Hochzeit im Herbst
Autoren: Nora Roberts
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PROLOG
    E ine dicke Eisschicht hatte sich über den von Schnee frei geschaufelten Pfad gelegt und machte das Laufen zu einem gefährlichen Balance-Akt.
    Ganz weit hinten am östlichen Horizont ließ sich das erste Morgengrauen erahnen, doch noch war der Himmel dieses eiskalten Wintermorgens schwarz wie Tinte, nur vereinzelt blitzten silberne Sterne auf. Jeder Atemzug, den man einsog, schnitt scharf wie Rasierklingen in Kehle und Lungen, bevor man ihn in einer weißen Dampfwolke wieder ausstieß.
    Eingepackt in mehrere Lagen dicker Pullover sowie zwei Hosen zuzüglich langer Unterhosen, mit dicken Fäustlingen, Schal und Mütze, stapfte Shane MacKade in Richtung Melkschober, auf dem Weg zu den ersten Pflichten des Tages. Im Gegensatz zu seinen drei älteren Brüdern pfiff er leise vor sich hin.
    Er liebte diese frühe Stunde vor dem winterlichen Sonnenaufgang, wenn der Frost noch knackte und der unberührte Schnee unter den Stiefeln knirschte.
    Jared, der älteste der vier MacKades, war jetzt fast siebzehn, und als Ältester führte er die Farm. Allerdings führte er sie, wie ein Buchhalter sich wohl an seine Abrechnungen machen würde. Für ihn waren das alles nur Zahlenkolonnen auf einem Blatt Papier. Nun, vielleicht war das sogar ganz gut so. Vor zwei Monaten hatten sie ihren Vater verloren, und die Zeiten sahen im Moment alles andere als rosig aus.
    Und was Rafe anbelangte … Die Zukunftsvisionen des Fünfzehnjährigen gingen bereits weit über die Hügel und Felder des MacKade-Landes hinaus. Das Melken, Füttern und Versorgen der Tiere waren für ihn eine leidige Pflicht, die es einfach zu erledigen galt. Und obwohl sie nie wirklich darüber gesprochen hatten, so wusste Shane doch, dass der Tod des Vaters Rafe am härtesten getroffen hatte.
    Sie alle hatten ihren Vater geliebt. Wie hätte man Buck MacKade auch nicht lieben können? Einen Mann mit einer Stimme wie Donnerhall, mit Händen wie Schaufeln und einem Herzen, genauso weit wie das MacKade-Land. Al es, was Shane über das Land und die Farm wusste, über die Tiere, über all das, was er so liebte, wusste er von Buck MacKade. Der Vater hatte die Liebe für das Land an seinen jüngsten Sohn weitergegeben.
    Vielleicht war das der Grund, warum Shane nicht vor Kummer umkam.
    Das Land war immer noch da, also war sein Vater auch irgendwie da. Und würde immer da sein.
    Mit Devin hätte er vielleicht darüber reden können. Mit vierzehn war Devin bereits ein ausgezeichneter Zuhörer, außerdem standen sie sich altersmäßig am nächsten. Immerhin wurde Shane am Dienstag dreizehn.
    Das war ein Riesenschritt in Richtung Erwachsenwerden.
    Trotzdem behielt er den Gedanken lieber für sich.
    Im Kuhstall regten sich die ersten Tiere, vereinzeltes Muhen ertönte, Quasten schweiften durch die Luft, als alles für das morgendliche Melken vorbereitet wurde. Es war eine ziemlich einfache Aufgabe, eigentlich sogar ein wenig monoton. Aber Shane machte diese Arbeit Spaß, er genoss die Gerüche, die Laute und Geräusche, die immer wiederkehrende Routine.
    Während er und Devin sich daranmachten, die zweite Gruppe Kühe anzuschließen, führten Rafe und Jared die von ihrer Milch erleichterten Tiere bereits nach draußen.
    Sie waren ein gut eingespieltes Team, schnell und effizient, trotz der unchristlich frühen Stunde und der ebenso ungnädigen Temperaturen. Im Grunde genommen hätte einer von ihnen gereicht, um diese Arbeit zu übernehmen, im Höchstfalle vielleicht zwei, aber die MacKade-Brüder hatten schon immer alles zusammen gemacht. Und besonders in diesen Tagen.
    Aber da waren auch noch die Hühner und die Schweine, die es zu versorgen galt. Eier mussten eingesammelt, Ställe ausgemistet, neues Stroh verteilt werden. Und das al es noch, bevor sie endlich ihr Frühstück hinunterschlingen und sich dann zu viert in Jareds altes Auto quetschen konnten, um zur Schule zu fahren.
    Wenn es nach ihm ginge, hätte Shane gut auf diesen Teil mit der Schule verzichten können. In der Schule lernte man nicht, wie gepflügt und wann gepflanzt wurde. Diese Bücher in der Schule verrieten einem nichts darüber, wann man am besten mit der Saat begann oder wann die Zeit günstig war, um zu ernten. Und schon gar nichts darüber, wie man am Geruch der Luft das Wetter voraussagen konnte oder wie man an den Augen einer Kuh erkannte, ob sie krank war oder gesund.
    Aber seine Mutter hielt sehr viel von diesen Büchern, und in der Beziehung ließ sie absolut nicht mit sich reden.
    „Was zum
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