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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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zerbrochen oder sonstwie unbrauchbar geworden. Peter mußte den Brennofen wieder in Ordnung bringen, um neue Vorratsgefäße schaffen zu können.
    Eines Morgens, als schon das vorbereitete Geschirr im Ofen aufgestapelt und das Holz im Feuerungsraum angezündet war, ereignete sich etwas, das ihn von seiner Arbeit ablenkte: Während einer kurzen Pause schaute er dem Nebel zu, der aus dem Talgrund aufstieg und in halber Höhe der Salzwände zerging. Sein scharfes Auge entdeckte an der Salzlecke ein Rudel Steinböcke und darunter drei hellgefleckte Mischlinge. Einzelne Tiere waren, nach dem schwachen Gehörn zu schließen, Geißen; sie bewegten sich so schwerfällig, daß Peter sie für trächtig hielt. Eigentlich müßte sich so eine Wildgeiß in einer Fallgrube fangen lassen! fuhr es ihm durch den Sinn. Er dachte an Eva, der Milch gut täte. Das schien ihm im Augenblick wichtiger als die Topfbrennerei. Er eilte heim, packte Mundvorräte fürmehrere Tage in seine Jagdtasche, holte einen kurzen Spaten, ein Hammerbeil, einen Nesselstrick sowie seine Jagdwaffen und machte sich, von Schnapp begleitet, auf den Weg. Eva, die seinen Vorbereitungen mit gerunzelter Stirn zugesehen hatte, sagte er nichts von seinem Vorhaben. Er wollte sie überraschen. Erst vom Floß aus rief er ihr zu, er gehe für ein paar Tage auf die Jagd, sie solle sich um den Brennofen kümmern.
    Noch stand die Sonne hoch über dem Tal, als er bei der Stelle anlangte, wo die senkrecht aufsteigende Wand das Wild zwang, einen treppenartigen Streifen niedergeschwemmten Lehms zu betreten, ehe es in weitem Sprunge zur nächsten Felsstufe gelangen konnte. Hier begann er zu graben. Befriedigt sah er, daß der Lehm einen nach unten auseinanderstrebenden Felsspalt füllte, dessen Wände vom niederrieselnden Wasser oder von rutschenden Felsmassen geglättet worden waren. Sorgfältig schaufelte er das Erdreich auf den Weg, den er gekommen war; er grub unermüdlich bis zum Abend.
    Während einer Atempause sah er tief unter sich die Talsohle des Heimlichen Grunds; der Schein der Abendröte lag auf dem Klammsee und ließ ihn erglühen wie flüssiges Metall. Es wurde Nacht. Peter mußte aufhören. Die zunehmende Kühle hielt ihn wach, und so saß er denn am Fuße der Wand und verzehrte eine Flade aus Schwadenschrot. Gedankenverloren kraulte er das Fell seines Fuchshundes, der mit ihm Mahlzeit hielt, lehnte sich dann gegen die Felswand und starrte in die verglimmende Pracht der Abendwolken. Evas Herdflamme schimmerte durch die offene Tür ihrer Hütte aus dem blauen Dunkel des Grunds herauf. Peter fühlte sich plötzlich so einsam wie nie zuvor. Da saß er nun hoch oben im Geklüft, festgebannt von der Finsternis, und dort unten war Eva in der Geborgenheit der Hütte, inmitten ihrer wohlgeordneten Geräte.
    Sein Leben stand vor ihm, wie er es in den letzten Jahren geführt hatte. Und er malte sich aus, wie er es fortan schöner und behaglicher haben könnte. Sollte es ihm gelingen, eine tragende Geiß zu fangen und brächte sie ein oder zwei Junge zur Welt, dann wollte er noch mehr Geißen fangen und eine Herde heranziehen. Und dann gäbe es Milch und Felle und Fleisch zum Reichtum an Früchten, und dann, dann könnte ein wirklich sorgenfreies, ruhiges, friedsames Leben beginnen, ein Leben ohne Plage. Und wenn er sich mehr daheim aufhielte, wieder Evas guter Kamerad wäre, dann würde sie wohl ihr herbes Wesen ablegen ... Was immer es sein mochte, weshalb sie ihm grollte, er wollte es durch Herzlichkeit und Fürsorge gutmachen. Wie war das damals gewesen? Damals hatte sie sich doch über den Halsschmuck aus Goldplättchen so gefreut! Und nun fiel ihm der Goldschatz wieder ein, den er aus der Brandstätte ihrer Erdwohnung gestohlen hatte. Der lag seit Jahren unter dem vermoderten Lager seiner verlassenen Baumhütte. Wenn er ihn herausholte und zu einem glitzernden Halsgeschmeide verarbeitete – ob da Eva sich freuen und ihn bewundern würde? Zu Werkzeugen ließ sich das schöne Metall ohnehin nicht verarbeiten, es war viel zu weich.
    Peter fürchtete die kalte Nacht auf nackter Bergeshöhe und entschloß sich, weiterzugraben, das würde ihm warm machen. Mit steifen Fingern band er das eine Ende seines Seils um einen vorspringenden Fels und knüpfte das andere an das Halsband seines Hundes, dem er befahl, ruhig liegenzubleiben. Dann glitt er vorsichtig in die ungefähr hüfthohe Grube zurück, ertastete den Spaten und begann hastig zu graben. Lange, lange arbeitete er so;
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