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Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition)
Autoren: Carla Berling
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Cybergirl virtuell sexy Grüße in den Raum und sandte ein Extrabussibussi an Teddyboy67. Unter dem Namen Mullemaus grinste ein Smiley, und daneben las Simone Halbsätze wie: »lacht mal in die Runde«. Blacky, Mondkind und Engel-ohne-Flügel antworteten mit zwinkernden Smileys, lachenden Kaffeetassen und hüpfenden Herzchen. Informationen wie »Bausemär betritt den Raum«, »Grottenmolch schmollt«, »Holunderästchen spaziert nickend durch den Chat« oder »Heisserfisch17 setzt sich auf den Hosenboden« ließen Simone laut lachen. Williwutz und Miss Lacrema, Nett.aber.fett und Teufel46 kannten sich offenbar persönlich, und Simone konnte gar nicht so schnell lesen, wie die bunten Sätze und Symbole über ihren Bildschirm flimmerten. Dennoch hatte ihr das anonyme Geplänkel gefallen, und in einer ruhigen Stunde im Geschäft suchte sie nach weiteren Flirtlines im Internet. So kam sie zu Love.Letters.
    Flirts, Fun und Dates versprach der Anbieter, wenn sie sich registrieren ließe. Kostenlos. Nicht, dass Simone es nötig gehabt hätte, nach fremden Männern zu gucken, nein, nein, das nicht. Sie wollte natürlich keine richtigen Dates, keine realen Verabredungen, schließlich war sie mit Gerald sehr glücklich verheiratet, aber gegen ein bisschen Abwechslung und Unterhaltung während der ruhigen Stunden der Arbeitszeit war doch wirklich moralisch nichts einzuwenden. Im Internet flirten, das war nichts weiter als eine Art interaktives Fernsehen, oder nicht?
    Simone gestaltete sich mit wenigen Klicks eine Profilseite, ähnlich einer kleinen Homepage, und dann surfte sie durch das riesige virtuelle Flirtangebot bei Love.Letters. Unglaubliche 520.000 Männer und 180.000 Frauen hatten sich registriert. Simone war entsetzt darüber, wie viele Ehemänner, fest liierte und offenbar unbefriedigte Typen sich hier darstellten.
    »Ich bin gebunden und will es auch bleiben«, schrieb Rudi1960 aus Köln Zollstock.
    »Ich suche die Frau für das Kribbeln im Bauch und gegen das Kribbeln im Schlauch«, bekannte Caruso_Koblenz, und Hexenmeister wünschte sich eine rassige Rubensfrau, die er auf Händen tragen konnte. Es gab Männer, die suchten eine Geliebte, andere wollten einen Neuanfang, Flirts, nette Zeiten im Chat, Dinnerverabredungen oder jemanden zum Spielen.
    Wie albern , dachte Simone, spielende Männer ... Dass diese Formulierung eine Art Code für Eingeweihte war, wusste sie noch nicht.
    Simone suchte nichts weiter als ein wenig Zerstreuung, sie beteuerte sich das insgeheim immer wieder. Sie wollte Ablenkung vom Einerlei des Alltags in der Familie, im Beruf und in ihrem Innern.
    Auch sie stellte sich dar: Als attraktive Schönheit, die sich tagsüber totarbeitet, sich für Kunst und Kultur interessiert und schick kleidet, gern Jazz und Blues hört und eine nette Zeit im Chat verbringen wollte. Sie nannte sich Chatterley.
    Sie wählte diesen Nickname, weil er eine Assoziation zu dem Wort »Chat« zuließ und ihr zugleich den Status einer Lady verlieh. Sie präsentierte sich virtuell ein klitzekleines Stück von der Wahrheit entfernt. Simone wollte so gesehen werden, wie sie sich selbst gern sehen wollte. Anders. Weiblich.
    Simones reales Gesicht im Spiegel: eine dunkelblonde Frau mit tiefblauen Augen. Meist ungeschminkt, mit pflegeleichter Föhnfrisur, so ausdrucksstark wie Millionen andere. Ihr Traumgesicht hatte keine Kontur. Noch nicht.
    Simone wunderte sich, wie viele Chatter sich mit einem Foto vorstellten. Sie stellte kein Foto ins Netz. Sie konnte es nicht riskieren, erkannt zu werden, zumal ja alles nur ein Spaß war.
    Sie musste diskret sein, wegen ihres Jobs, wegen der Leute und natürlich wegen ihrer Ehe. Denn die war nun achtzehn Jahre alt, uneingeschränkt glücklich, und so sollte bitteschön auch alles bleiben. Simone erzählte Gerald von ihrer neuen Art, sich zu zerstreuen, denn sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt. Geheimnislosigkeit als Zeichen beschlossener Nähe.
    Erst fand er ihr neues Hobby albern. »Liebes, chatten ist was für Jugendliche, und dazu gehören wir ja nun wirklich nicht mehr«, sagte er kopfschüttelnd. Er war vielleicht ein wenig eifersüchtig, weil sie mit fremden Männern flirten wollte, aber nach ein paar Tagen schien er es vergessen zu haben. Jedenfalls fragte er nicht mehr danach.
    Simone verbrachte viel Zeit im Chat. Stundenlang, jeden Tag. Es war wie ein Zwang: Sobald sie morgens das Geschäft betrat, startete sie den Computer und sah nach, wer ihre Profilseite besucht und
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