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Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition)
Autoren: Carla Berling
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Sie sah an ihrer Besucherliste, dass Mylady und Milord ihr Profil besucht hatten. Eine Nachricht hatten sie nicht hinterlassen.
    Simone fühlte sich unerkannt und sicher.
    In den nächsten beiden Tagen waren Karin und Arno nicht online, und als Simone das Datum registrierte, war ihr auch klar, warum: Es war der fünfte Mai, das Datum der Verlobung. Sie grinste. Es würde nicht lange dauern, und sie würde in den Gästebüchern der beiden nachlesen können, wie das Fest verlaufen war, wer mit wem gekommen war und wer was angehabt hatte und wer wie lange geblieben war. Die beiden präsentierten sich so öffentlich, dass sie eigentlich genauso gut ein Weblog führen konnten, bei dem jeder mitlesen durfte, nicht nur die User von Love.Letters, dachte sie.
    Simone hatte eine Nachricht in der Mailbox: »Guten Tag, Chatterley. Es ist die Zeit für ein Gespräch. Rule.«

Rule

    Eins. Zwei. Drei. Anhalten.
    Eins. Zwei. Drei. Ausatmen.
    Eins. Zwei. Drei. Einatmen.
    Sie fiel nicht in Ohnmacht, nein. Sie ertrug. Und sie konzentrierte sich auf ihren Atem. Einatmen. Luft anhalten. Ausatmen, Luft anhalten. Wieder. Und wieder.
    Rule war nebenan, sie hatte eben die Klospülung gehört.
    Was spielte es schon für eine Rolle, ob er jetzt oder gleich oder später wiederkam. Er würde wiederkommen.
    Nur das zählte. Er würde sie weiter quälen, sie wieder schlagen, mit der Hand, mit der Peitsche, mit dem Stock.
    Sie konnte nichts tun.
    Nichts? Musste sie wehrlos abwarten, bis sie in diesen verfluchten Ketten krepiert war?
    Warum tat er das? Wer war er?
    Wem hatte sie etwas getan? Hatte sie etwas getan?
    Oder war sie einfach nur im Internet zu unvorsichtig gewesen, war mit ihren Daten zu sorglos umgegangen?
    Wann? Was? Wer?
    »WAAAAARUUUUMMM?«
    Sie brüllte das Wort und heulte dabei auf wie eine verwundete Wölfin, mit diesem Knebel im Mund, der sich durch den Schrei und das willkürliche Atmen tief in ihren Rachen sog. Er reizte sie zum Kotzen, sie würgte und würgte und hustete und spürte, wie die warme Brühe an dem Ball vorbeischoss und die Brocken über ihre Zunge flossen und ihr ekelhafte, stinkende Säure in die Nase stieg.
    Sie heulte und schluckte und kotzte und bekam keine Luft mehr, verschluckte sich an ihrem Erbrochenen, begann in Todesangst, sich hysterisch zu drehen, zu strampeln, sie knickte mit den Knöcheln um, wollte wieder schreien, aber nur ein Gurgeln kam aus ihrem Rachen.
    Die Tür flog auf, knallte an die Wand, in einer Sekunde war Rule bei ihr, nestelte in der Kotze an ihren Wangen herum, riss den Knebel von ihren Ohren, der Ball fiel aus ihrem Mund.
    Er drückte ihren Kopf so herunter, dass die Kotze aus ihr herauslief und dass sie husten und spucken und keuchen und schließlich wieder atmen konnte. Das Erbrochene brannte in den Wunden ihrer geplatzten Lippen, war in ihre Haare gesickert und über ihre linke Brust. 
    Simone ließ den Kopf zur Seite fallen, lehnte ihn erschöpft an ihren Oberarm. Rule ging raus, kam mit einem nassen Handtuch zurück und säuberte ihr Gesicht. Simone wimmerte jämmerlich, sie weinte leise und schmeckte das Salz ihrer Tränen, vermischt mit der beißenden Säure des restlichen Erbrochenen in ihrem Mund.
    Rule stand vor ihr und betrachtete sie, sie sah es verschwommen.
    Was sollte das? Warum quälte er sie grausam und gnadenlos und tröstete sie dann und quälte sie wieder und rettete sie?
    »Rule?«
    Ihre Stimme klang dünn und hell wie die eines kleinen Mädchens. Sie räusperte sich.
    Sein Nicken zeigte ihr, dass er ihr zuhörte.
    »Bitte. Lass mich bitte gehen. Ich habe dir doch nichts getan.«
    Nur ihr beider Atmen war zu hören.
    Die blauen Augen in der Maske hatten rote Ränder.
    »Bitte! Ich kann nicht mehr, Rule, bitte lass mich gehen. Ich möchte nach Hause. Ich möchte zu meinen Kindern und zu meinem Mann. Bitte!«
    Er kam einem schnellen Schritt auf sie zu. Sein Gesicht war nun unmittelbar vor ihrem.
    Keine Handbreit passte dazwischen.
    Nah. Ganz nah war er bei ihr. Sie spürte den heißen Atem aus den Masken-Öffnungen oberhalb seines Mundes, sie roch seine Nähe.
    Sie kannte den Geruch.
    Sie wusste es.
    Warm war der Duft, warm und so vertraut. Sie starrte in die blauen Augen und sah, dass sie sich mit Tränen füllten. Langsam. Dann liefen sie über und die glitzernden Tropfen rannen über das schwarze Leder der Maske. Simone hob den Kopf. Ja. Vielleicht hatte sie es von Anfang an gewusst.
    Sie rührte sich nicht, als er sich die Maske vom Kopf zog. Er tat das ganz
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