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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
Autoren: Nagel & Kimche AG
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stupste ihn gegen die Schulter und bot ihm einen Platz auf dem Sofa im Wohnzimmer an. Die Einrichtung des Hauses war vollkommen in Holz gehalten, es erinnerte an eine Berghütte. An der Wand ihm gegenüber entdeckte Doni eine schwere Pendeluhr aus dem 19 . Jahrhundert.
    «Na dann los», sagte Cattaneo. «Erzähl mir alles.»
    Wieder erzählte Doni seine Geschichte, und diesmal wirklich alles. Er berichtete von Elena Vicenzi, von Khaled, von den beiden Maurern, von Mohamed und von den eigenen Bedenken. Nicht das kleinste Detail ließ er aus.
    Diese Geschichte zu erzählen war, als wäre er wieder auf einer einsamen und öden Straße unterwegs, auf einer dieser Landstraßen, die er auf seinem Weg in den Norden gesehen hatte: kaputter Asphalt, zu beiden Seiten Felder, ein plötzlich auftauchender Kreisverkehr und keinerlei Wegweiser, nur die Gewissheit, dass es keine Möglichkeit gab, da wieder herauszukommen, es gab nur ihn und die Straße, ihn und die Straße.
    Cattaneo hörte schweigend zu, die Hände auf dem dicken Bauch.
    «Was soll ich nur tun?», fragte Doni schließlich.
    Cattaneo kratzte sich die Wange. Er stand auf und ging zum Kamin, und obwohl der erloschen war, stocherte er mit einem Schürhaken in der Asche. Dann setzte er sich wieder auf das Sofa.
    «Meinst du, er ist unschuldig?»
    «Ja.»
    «Du hältst das für eine logische Schlussfolgerung?»
    «So ziemlich, ja. Doch ich habe keine sicheren Beweise.»
    «Gib mir eine Rekonstruktion der Dinge aus deiner Sicht.»
    «Khaled war nicht am Tatort, er war bei Mohamed. Das Mädchen hat ihn in der Verbrecherkartei mit einem anderen verwechselt, und ihr Freund hat ihre Aussage bestätigt, aus Angst und aus dem Bedürfnis heraus, einen Schuldigen zu finden. Der Mann, der geschossen hat, gehört zu einer größeren Organisation, oder jedenfalls zu einer, die groß genug ist, um sofort alles über den Verhafteten in Erfahrung zu bringen und dafür zu sorgen, dass er auch verurteilt wird. Wahrscheinlich wird Mohamed bedroht. Der Umstand, dass Khaled aus Dankbarkeit seinem Freund gegenüber, der ihm geholfen hat, dessen Namen nicht preisgibt, beruhigt sie. Dann trete ich mit der Journalistin auf den Plan. Sie erfahren von dem Gespräch und ermorden Mohamed, als Warnung. Das war’s.» Er macht eine Pause. «Wenn das alles wahr ist, muss ich auf die Berufung verzichten und Freispruch beantragen.»
    Cattaneo nickte.
    «Wenn das alles wahr ist», wiederholte er. «Wenn deine Version stimmt.»
    «Ja. Aber erzählen wir denn eigentlich nicht alle nur Versionen? Ich, der Rechtsanwalt und der Richter. So ist es immer. Versionen von Tatsachen, die wir nie wirklich ergründen werden, die bereits geschehen und vorbei sind.»
    Cattaneo lächelte.
    «Jetzt redest du wie einer, der gerade ein Handbuch zur Philosophie der Rechtsprechung aufgeschlagen hat.» Er wurde wieder ernst. «Ich kann mir denken, dass du dir bereits überlegt hast, was zu tun ist.»
    Doni stieß einen langen Seufzer aus und schaute vor sich hin.
    «Ich habe die Prozessakten dreimal hintereinander gelesen. Es gibt Formfehler. Das Mobiltelefon des jungen Mannes, des Freundes des armen Mädchens, wurde mit polizeilichen Anlagen abgehört. Und wie du weißt, darf das Abhören ausschließlich mit Anlagen der Staatsanwaltschaft erfolgen.»
    «Doch wenn sich die Anlagen als unzureichend erweisen, kann die Staatsanwaltschaft anderes verfügen.»
    «Ja, aber im Urteil fehlt eine entsprechende Begründung durch die Staatsanwaltschaft. Ich nehme an, das war der Eile geschuldet, sie haben wohl einfach sehr schnell gearbeitet. Doch sie fehlt. Folglich können die Abhörprotokolle praktisch nicht verwendet werden.»
    Cattaneo nickte und bedeutete ihm fortzufahren.
    «Dann die Vernehmung des jungen Mannes, der Khaled belastet. Hier fehlt die Belehrung, die laut Absatz 3 c des Artikels 64 der Strafprozessordnung vorgeschrieben ist. Also das, was dem Verhörten vor der Vernehmung gesagt werden muss.» Doni zitierte aus dem Gedächtnis: «Offenbart der Beschuldigte durch seine Aussage Tatsachen, die Dritte belasten, so ist er als Zeuge anzusehen; auf ihn anwendbar sind alle Inkompatibilitätsgründe gemäß Artikel 197 und die in Artikel 197 b enthaltenen Rechte .» Doni sah Cattaneo mit dem Lächeln eines vorbildlichen Studenten an: «Wahrscheinlich eine Laune des Computers. Ich hasse diese Dinger und traue ihnen alles zu. Wie dem auch sei, vielleicht ist es ein Wink des Schicksals, doch diese Belehrung ist nicht da. Sie
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