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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis
Autoren: Andreas Schramek
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schliefe sie, und die ihren Dienerinnen eine würdige Erscheinung sein wollte. Es war kein mildes, glückliches Lächeln, das sie zeigte, sondern das Lächeln einer, die über eine Rivalin gesiegt hatte und dennoch Dame blieb. Sie konnte sich ein Leben ohne Vater nicht vorstellen, keinen Tag lang, deshalb folgte sie ihm. Ich stand vor ihrem Bett und wollte nicht wahrhaben, was ich sah, und für einen kurzen Augenblick zog ich es in Erwägung, in ihren Räumen nach Gift zu suchen, nach einer verborgenen Schlange oder einem Skorpion. Ich ließ es. Ich ließ es, weil sieeine alte Frau war, die in Würde ihrem Mann dahin gefolgt war, wo sie mit ihm weiter beisammen und glücklich sein konnte.
     
    Der Tod von Amenis Geschwistern erfüllte mich damals nicht nur mit Trauer, sondern auch mit Wut. Der Tod Merits ließ mich lange Zeit fast verzweifeln, und ich wusste nicht, ob ich jemals wieder eine Frau so würde lieben können, wie ich Merit geliebt habe. Der Tod meiner Eltern aber machte mich einsam. Es ist gleich, ob Eltern alt sind, wenn sie sterben, oder jung. Und obwohl ich selbst schon über dreißig Jahre alt war, war ich wieder Kind, als ich sie verloren hatte, war allein und verlassen.
    Amenophis gab meinen Eltern dort ein Grab, wo sonst nur die Könige unseres Landes ruhten, und es war die einzige Beerdigung von Toten, die nicht unmittelbar der königlichen Familie angehörten, an der er je teilnahm. Eine größere Ehre konnte er meinen Eltern, Teje und mir nicht zuteil werden lassen.
    Auf den Sarkophag meines Vaters ließ Amenophis die Worte schreiben:
    «Prophet des Min, Gottesvater Juja, der Gerechtfertigte. Vertrauter des Königs im ganzen Land. Freund des Guten Gottes, Geliebter des Herrn der Beiden Länder. Einziger im Herzen des Königs, dessen zweiten es nicht gibt. Gelobter des Guten Gottes, Rindervorsteher des Min. Pferdevorsteher, Stellvertreter Seiner Majestät bei der Streitwagentruppe.»
    Der Tod meiner Eltern stimmte Ameni nachdenklich.
    «Wie er da lag», sagte er mit leiser, belegter Stimme, als wir spät am Abend auf der Terrasse seines neuen Palastes saßen und im Licht des Vollmondes auf das silbern glänzende Band des Flusses hinabblickten. Ich sah ihn verwundert an.
    «Ich wollte ihn nochmals sehen, bevor er von den Dienernder Ewigkeit in Leinen gehüllt und in den Sarg gelegt wurde», fuhr Amenophis fort, ohne mir einen Blick zuzuwerfen.
    «Und?», fragte ich.
    «Ich war sehr beruhigt, denn er lächelte. Er zeigte das breite Lächeln eines stolzen, aber zufriedenen Bauern. Seine hellen Haare waren sorgfältig gescheitelt, und sein linker Arm lag auf der Brust. Ja, er machte einen zufriedenen Eindruck.»
    Amenophis schob eine getrocknete Dattel in seinen Mund und trank einen Schluck Wein.
    «Meinen eigenen Vater habe ich kaum gekannt. Wäre ich nicht sein erstgeborener Sohn gewesen, ich könnte mir nicht sicher sein, ob er sich für meine Existenz überhaupt interessiert hätte. Erinnerst du dich noch an eines unserer Gespräche nach dem Tod meines Vaters? Es war im Palast von Mer-wer. Ich sagte dir, Pharaonen hätten keine Söhne, sondern nur Thronfolger. Schon damals beneidete ich dich um deinen Vater, obwohl er nicht Pharao war, sondern nur ein gewöhnlicher Sterblicher.»
    «Daran kannst du dich noch heute erinnern?» Ich war über sein Gedächtnis erstaunt.
    «Ja, sicher. Dieser Abend war mir sehr wichtig. Wir saßen im Fenster meines Schlafzimmers, als wir uns unterhielten, und es war deine erste Nacht im Palast, Eje.»
    Ich wollte es nicht glauben. Immer wieder erstaunte mich Amenophis mit Kleinigkeiten aus unserer Vergangenheit, die ich längst für vergessen wähnte und an die ich mich trotz größter Anstrengung nicht hätte erinnern können.
    «Ich habe schon immer in deinem Vater mehr gesehen als nur den Erzieher, den Berater oder den Gottesvater. Ja, er war mir ein wahrhaftiger Vater. Und dennoch sind wir stets bei der förmlichen Anrede geblieben. Es war nicht Überheblichkeit, Eje, die es mir verboten hatte, ihm die freundschaftliche Anrede anzubieten. Es waren Ehrfurcht und Respekt, ein tieferRespekt. Und er wusste, dass ich so fühlte. Deswegen beließ er es auch dabei, obwohl es für ihn als den Älteren ein Leichtes gewesen wäre, mich um die freundliche Anrede zu bitten.»
    «Und meine Mutter?», wollte ich wissen.
    Er nahm zwei Datteln in die rechte Hand, und während er eine in den Mund warf, griff er mit der Linken nochmals in die Alabasterschale und nahm sich noch zwei
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