Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten
Autoren: belago
Vom Netzwerk:
Dinge zu besprechen. Alle weiteren wichtigen Entscheidungen blieben so vor Julie verborgen.
    Die lebensfrohe Art ihres Vaters schien ihrem Onkel nicht zu Eigen zu sein, er zeigte sich Julie gegenüber kalt und distanziert. Die große Angst seiner Nichte vor der Zukunft schien ihn nicht zu berühren. Nun blickte Julie einige Male in seine Richtung, doch er hielt den Blick aus dem Fenster gerichtet. Kurz überlegte sie, ihm die eine oder andere Frage zu stellen, die schwer auf ihrem Herzen lastete. Aber es gehörte sich nicht, ungefragt mit Erwachsenen zu reden. So wandte auch sie den Blick wieder aus dem Fenster.
    Julie wusste nicht, wo ihre zukünftige Schule lag. Umso verwunderter war sie, als sie die ersten Abzweigungen in Richtung Amsterdam passierten, diesen aber nicht folgten.
    Sie richtete einen fragenden Blick auf ihren Onkel. Und dieses Mal bekam sie in der Tat eine Antwort: »Das Mädcheninternat Admiraal van Kinsbergen liegt in Elburg«, kommentierte er kurz.
    Julie zuckte zusammen. Elburg? Sie hatte keine Ahnung, wo das war, aber Stunde um Stunde zerfloss ihre Hoffnung, zukünftig in unmittelbarer Nähe ihrer Verwandten leben zu können. Traurig sackte sie in den Polstern der Kutsche zusammen. Obwohl sie diese Menschen kaum kannte und ihr Onkel so ganz anders zu sein schien als ihr Vater, hatte sie sich in ihrer Lage eine gewisse Zuwendung von ihnen erhofft – diese Hoffnung wurde nun jäh zerschlagen.
    Als der Abend kam, war die Reise immer noch nicht vorbei. Julie verbrachte eine einsame schlaflose Nacht in einem kleinen, kalten Herbergszimmer. Die Gastwirtin, an deren Rockzipfel mehrere rotznasige Kinder hingen, verspürte das Leid des Mädchens und brachte ihm abends fürsorglich eine warme Milch und zwei Kekse ans Bett. Julie jedoch rührte nichts davon an. Sie bekam keinen Bissen herunter.
    Am nächsten Morgen setzten sie ihre Reise fort. Erst am späten Nachmittag lenkte der Kutscher das Gespann über eine Brücke und das Stadttor der kleinen Stadt Elburg, gut eine Tagesreise von Amsterdam entfernt. Julie war hungrig und erschöpft und unterdrückte die aufsteigenden Tränen, sie wollte vor ihrem Onkel nicht weinen. Die Gassen wurden schmaler, und im schwindenden Tageslicht sah Julie zahlreiche dicht gedrängte Häuser. Es schien, als hätte der Erbauer versucht, möglichst viele Gebäude auf engstem Raum anzuordnen. Die unter anderen Umständen vielleicht gemütliche Enge wirkte auf Julie bedrückend und verstärkte ihre Stimmung noch, in die sich nun zusätzlich Nervosität mischte. Die Kutsche bog noch einige Male ab, bis sie endlich vor einem trutzigen Gebäude zum Stehen kam.
    Während Julie zögerlich hinter ihrem Onkel aus dem Wagen kletterte, öffnete sich das große Portal des Hauses, und eine hochgewachsene hagere Dame schritt ihnen entgegen. Julies Magen krampfte sich zusammen.
    »Mijnheer Vandenberg, es freut mich sehr. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise«, sagte die Dame und knickste höflich, bevor sie einen Blick auf Julie warf, die verlegen neben ihrem Onkel stand.
    »Du musst Juliette sein!« Die Stimme der Frau ließ jeglichen Anflug von Wärme vermissen. Überhaupt machte sie einen sehr strengen und resoluten Eindruck. »Mein Name ist Anna Büchner, ich bin die Direktorin hier.« Ihr Blick glitt kurz und abschätzend über Julie, die schüchtern vor der Frau knickste, bevor diese sich wieder an ihren Onkel wandte: »Kommen Sie doch bitte herein, dann besprechen wir kurz alles Weitere.«
    »Juliette«, sie klatschte einmal kurz in die Hände, worauf sofort ein Mädchen in Dienstkleidung aus der Tür trat, »Merle wird dich auf dein Zimmer führen, ich komme dann später und hole dich.«
    Julie folgte dem Dienstmädchen in das Haus und weiter durch spärlich beleuchtete und scheinbar endlose Korridore. Schließlich hielt das Mädchen vor einer Tür und öffnete sie. Nach einem braven Knicks vor Julie sagte Merle: »Mejuffrouw Vandenberg, Ihr Zimmer.« Das Mädchen ließ Julie eintreten und huschte hinter ihr ebenfalls ins Zimmer. Sie entzündete eine kleine Öllampe auf dem Tisch und schlich dann aus der Tür und über den Korridor davon. Julie blickte sich neugierig um. Im Vergleich zu den Maßen des gesamten Hauses war das Zimmer winzig. Auf jeder Längsseite standen ein Bett und ein Schrank, ein Tisch mit zwei Stühlen war in der Mitte des Raumes und ein Waschtisch in der Ecke hinter der Tür platziert. Ein kleiner Hoffnungsschimmer regte sich in Julie: zwei Betten! Noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher