Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)
Amtssitz ist zukünftig in Carcassonne. Die Bischöfe von Toulouse, Albi und Carcassonne sind bereits über diese Ernennung informiert.“
Zufrieden nickte Nikolaus von Abbéville seinem Schreiber zu. „Und sorgt dafür, Fébus, dass die Nachricht noch heute nach Albi gelangt. Bereitet auch den Kerkermeister darauf vor, dass in Kürze fünfundzwanzig Männer hier eingeliefert werden. Keine Privilegien – sagt ihm das -, auch wenn es sich um hochgestellte Persönlichkeiten handelt.“
Fébus nickte und machte sich daran, das Aufgesetzte ins reine zu schreiben. Als Dominikaner wusste er, dass nach katholischem Recht jeder Getaufte, der ein Dogma leugnet oder bezweifelt, ein Ketzer ist. Und behauptete Nikolaus von Abbéville denn nicht immer, dass bereits Gott Inquisitor war, als er Adam und Eva züchtigte?
Fulco von Saint-Georges rieb sich die Hände, als er nach der Vesper das Pergament des Inquisitors gelesen hatte. Seine Zufriedenheit hatte weniger mit seiner Ernennung zum stellvertretenden Inquisitor zu tun – damit hatte er seit längerem gerechnet – als vielleicht mit der endlich angeordneten Verhaftung bestimmter Männer. Bischof Bernhard von Castaignet hatte ihm erst wenige Tage zuvor versichert, dass die Genannten allesamt der Ketzerei überführt wären. Es gäbe ausreichende Beweise. Der Prior stand auf, lief um den Tisch herum und trat ans Fenster. Ein Name auf der Liste machte ihm allerdings beträchtliches Kopfzerbrechen: Guilheme Calveries. Er kannte den alten Mühlenbesitzer persönlich, ihn, seine Frau und seine beiden bereits erwachsenen Söhne und ihre Familien. Untadelige Leute allesamt, eng mit dem Kloster verbunden. Mehrmals im Jahr brachten die Calveries Säcke voller Korn für die Armen, und sie spendeten auch reichlich Geld. Und nun stand sein Name auf der Liste der Ketzer. Wie hatte es geschehen können, dass Calveries den Häretikern verfiel? Und was konnte er, Saint-Georges tun, um ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen? Dominikus von Caleruega kam ihm in den Sinn, der Ordensgründer, der auf eine andere Weise die Katharer hatte bekehren wollen, die so sehr die Ordnung der Heiligen Römischen Kirche störten: mit ruhigem, friedlichem Gespräch von Mann zu Mann; Überzeugung, keinesfalls Gewalt, mit vorbildlichem, asketischem Leben, gleich den katharischen parfaits . Nun ja, dachte Saint-Georges, und er verzog ein wenig spöttisch den Mund, Dominikus in allen Ehren, er hatte es gutgemeint, doch den Menschen das Evangelium predigen in härenen Kutten und Sandalen, wie lächerlich! Die Zeiten waren andere geworden, dem Herrn sei Dank. Zwar erzählte man sich noch immer, dass Dominikus` Mutter, bevor sie ihn empfing, geträumt hatte, sie trüge ein Hündlein in ihrem Schoß, das eine brennende Fackel in seinem Munde hielt, welche – sobald es ihren Leib verließ – die ganze Erde zu entzünden schien. Doch der freundliche, brave Mann war sein Leben lang ein zahnloser Hund geblieben und hatte nur wenige Ketzer mit seinen Reden überzeugt, obwohl er selbst bei glühender Hitze bergauf und bergab auf holprigen Straßen gezogen war, um auf den Marktplätzen das „Predigtwerk Christi“ zu verkünden. Statt eine „göttliche Offenbarung“ zu erfahren, hatten die Menschen die Bettelmönche verjagt oder bestenfalls verspottet. „Ihr habt Euch wohl vom Saulus in den Paulus verwandelt? Das apostolische Mäntelchen, das ihr euch übergezogen habt, kann uns nicht täuschen“, hieß es allenthalben. Mit welcher Hartnäckigkeit hielt sich nur diese Häresie und mit welcher Begeisterung wurde sie noch immer vom Volk aufgenommen, so dass sogar der brave Calveries ihr zum Opfer gefallen war? Nach der Euphorie, mit der Eroberung des Montségur und der Verbrennung der dort verschanzten katharischen Elite endlich dem „Drachen“ den Kopf abgeschlagen zu haben, war das Entsetzen unter dem Klerus und der Inquisition groß, als man erkannte, dass dem Drachen hydragleich und rasend schnell zahlreiche andere Köpfe nachgewachsen waren.
Der frischgebackene Inquisitor Fulco von Saint-Georges sah vom Fenster aus, wie unten im Hof eiligen Schrittes Bruder Henricus, der Cellerar, zur Klosterpforte lief. Rasch trat er ein Stück zurück, und beobachtete dann, wie der hagere Mönch mit dem bleichen Gesicht und den unheimlichen Augen bei der Pforte innehielt, Bruder Leonardus zu sich herauswinkte und leise auf ihn einredete. Was heckten die beiden schon wieder aus? Übers Jahr hatte es ihretwegen unter den
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