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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan
Autoren: Jutta Profijt
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Stimme hinter Baumeister. Wir erschraken beide. Die Bullen waren
     offenbar ohne Sirene gekommen, wir hatten sie nicht gehört.
    »Ich, äh,   …«
    Jetzt hatte Baumeister ein Problem. Er musste vermuten, dass der erste Bulle, der die Türklinke anfasst, gegrillt wird. Und
     ein Polizistenmord ging, wie ich vermutete, selbst ihm zu weit. Mit weit aufgerissenen Augen, zitternden Nasenflügeln und
     einem auf- und zuklappenden Mund sah er verzweifelt und dämlich zugleich aus. Dann blinzelte Baumeister mehrmals, schloss
     die Augen und legte die Hand auf die Klinke.
     
    Es war Freitagmittag, kurz nach eins, als Martins Chef mit dem neuesten Obduktionsbericht an Martins Schreibtisch trat. Martin
     setzte das Headset ab und blickte seinem Chef ruhig ins Gesicht.
    »Der Bericht ist ja ganz ordentlich, Herr Gänsewein.« »Danke.«
    »Die Sache mit dem Ohr   …« Der Kollege, der Martin gegenübersaß und bei besagter Obduktion assistiert hatte, versteckte sein breites Grinsen, indem
     er sich tief über seine Tastatur beugte. Er kratzte sich mit dem gekrümmten Mittelfinger am Kopf. |282| Martin blickte seinen Chef weiter treuherzig an. »Es war ein spontaner Niesanfall. So etwas habe ich noch nie vorher gehabt.
     Ich war wirklich froh, dass ich weder mich selbst noch den Kollegen verletzt habe.«
    »Ja ja«, murmelte der Chef. »Ich meine ja auch nur, dass das keinen guten Eindruck macht in dem Bericht.« Martin schaute schuldbewusst
     und senkte den Kopf. »Nehmen Sie die Notiz einfach raus«, sagte der Chef und warf ihm die Blätter auf den Schreibtisch. »Aber
     Herr Jansen war doch dabei   …« »Sie haben in Ihrem Bericht ja auch nicht erwähnt, dass Herr Jansen den Flur über zwölf Meter Länge vollgekotzt hat«, sagte
     der Chef freundlich. Martin nickte.
    »Also dann verstehen wir uns.« Der Chef stieß, als er das Büro verließ, beinahe mit Birgit zusammen, die schnell noch ausweichen
     konnte. Man grüßte sich höflich, dann stürmte Birgit zu Martins Schreibtisch. »Hast du schon gehört? Es geht seit zwei Stunden
     durchs Radio. Baumeister sitzt im Knast.«
    Martin sprang auf und umarmte Birgit. »Wie ist das passiert?«
    »Es heißt, er habe gestern Abend eine Türklinke des Klosters unter Strom gesetzt, um die herzkranke Schwester Oberin zu töten,
     dann aber im letzten Moment selbst an die Klinke gefasst.«
    »Blödsinn!«, schrie ich. »Wir haben die Oberin gerettet. Marlene und ich.« Martin winkte gedanklich ab. Er kannte den ganzen
     Bericht bereits, ich hatte ihm noch gestern Nacht jede Einzelheit meines heldenhaften Einsatzes in den schillerndsten Farben
     ausgemalt. Das wollte er Birgit natürlich nicht auf die Nase binden.
    »Baumeister hat einen ordentlichen Stromschlag bekommen, |283| aber da ihn die Polizisten wegreißen konnten, halten sich seine Verletzungen im Rahmen.« »Und das Geständnis   …«, fragte Martin. »Er musste die Nacht zur Überwachung im Krankenhaus verbringen und da haben dann die Geräte total verrückt
     gespielt. Dauernd gab es Alarm, einmal meinte die Schwester, er sei nun wohl tot. Gegen zwei Uhr hat er nach der Polizei verlangt
     und gestanden. Der Mann war vollkommen fertig mit den Nerven.«
    Tja, gelernt ist gelernt. »Meinst du, die Ablehnung der Kreditverlängerung hat ihn zu diesem Geständnis gebracht?«, fragte
     Birgit aufgeregt.
    Martin strahlte seine Liebste an. »Ganz bestimmt.« »Schleimer«, maulte ich. »Ich habe schon Feierabend gemacht«, sprudelte
     Birgit hervor. »Ich hätte mich sowieso nicht mehr konzentrieren können nach der tollen Neuigkeit. Was ist mit dir? Musst du
     noch lange arbeiten?«
    Martin blickte unentschlossen auf seinen Bildschirm, da gab sein Kollege die Antwort für ihn: »Martin hat jetzt auch Wochenende.
     Den Bericht korrigiere ich schnell, der Rest hat Zeit bis Montag. Tschüss zusammen.«
    Er grinste Martin an und kratzte sich mit dem Mittelfinger an der Nase. »Stimmt«, bestätigte Martin ebenfalls grinsend. »Lass
     uns gehen.«
    Er wollte den Computer ausschalten, aber ich hielt ihn gerade noch rechtzeitig davon ab. »Ich will auch einen Bericht schreiben«,
     rief ich. »Was denn für einen Bericht?«, fragte er misstrauisch. »Den Abschlussbericht über diesen Fall.« »Wozu?«, dachte
     Martin, jetzt in höchster Alarmbereitschaft. Er hatte definitiv kein Interesse daran, dass noch
    |284| mehr Leute von der Existenz des nicht ganz toten Pascha Lerchenberg erfuhren, der vor ein paar Monaten einige Zeit in
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