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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
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gleichen Rotbraun wie das Fell der unter ihm grasenden Pferde war. Sie hoben die Köpfe, um dem Lieferwagen und seiner Staubwolke nachzuschauen.
    Der Wagen bog nach links, und zwei Meilen später sahen sie in der zunehmenden Dämmerung das dunkelrote Hausder Hicks auf einer Hügelkuppe liegen. Rimmer fuhr langsamer, damit sie sich die Szene, die sich ihnen bot, in Ruhe betrachten konnten.
    Sechs oder sieben Fahrzeuge parkten vor dem Haus, und auf der hinteren Veranda war eine kleine, teilweise von der Hausecke verdeckte Menschenmenge zu sehen. Offenbar hatte jemand einen Scheinwerfer aufgestellt, und gelegentlich leuchtete der Blitz eines Fotoapparats auf. Dan seufzte.
    »Ich will wieder nach Hause.«
    »Ein ziemlicher Zirkus, was?«
    »Ja, und wir sind die Clowns.«
    »Ich dachte eher an die römische Variante; du weißt schon, einen von der Sorte, in dem man den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird.«
    »Sehr aufmunternd, Bill.«
    Sie stellten den Wagen neben den anderen Fahrzeugen ab, gingen hinauf zum Haus und gesellten sich zu den übrigen Leuten auf der Veranda. Dan vernahm eine Stimme und wusste sofort, wem sie gehörte.
    Eine junge Fernsehreporterin stand im Flutlicht und interviewte Buck Calder. Sie trug ein rotes Kostüm, das ihr mindestens zwei Nummern zu klein war. Calder ragte turmhoch über ihr auf. Er war groß, fast so groß wie Bill Rimmer, aber weit kräftiger gebaut. Seine Schultern waren so breit wie das Fenster in seinem Rücken.
    Er trug einen hellen Stetson und ein weißes Hemd mit Druckknöpfen, das seine Bräune noch betonte. Im Licht des Scheinwerfers funkelten die Augen in fahlem Graublau, und Dan begriff, dass es nicht die Statur, sondern vor allem die Augen waren, die diesen Eindruck von Macht hervorriefen. Und diese Augen starrten die junge Reporterin lächelnd, doch mit einer solchen Intensität an, dass sie wie hypnotisiert schien. Dan wusste, dass Calder Großvaterwar, und hatte sich ihn auch so vorgestellt, doch vor ihm stand ein Mann im besten Alter, der ganz offensichtlich wusste, welche Wirkung er auf andere hatte.
    Kathy und Clyde Hicks neben ihm sahen längst nicht so gelassen aus. Kathy hielt das Baby, das mit verwundert aufgerissenen Augen seinen Großvater anstarrte. Neben ihnen war ein Tisch zu sehen, auf dem eine breite, gelbe Masse lag. Dan brauchte eine Weile, bis ihm dämmerte, dass dies der tote Hund war.
    »Der Wolf ist ein Killer«, sagte Calder. »Er fällt alles an, was ihm in die Quere kommt. Und wäre dieser arme, tapfere Hund nicht gewesen, hätte er sich bestimmt meinen kleinen Enkel geschnappt. Allerdings wäre ihm von Buck junior vorher bestimmt noch ein kräftiger Nasenstüber verpasst worden.«
    Die Leute, etwa ein Dutzend, lachten. Dan kannte den Fotografen und den jungen Mann, der sich Notizen machte; sie gehörten zur Lokalpresse. Er hatte keine Ahnung, wer die anderen waren. Vermutlich Nachbarn und Familienangehörige. Doch zu zwei Gesichtern kehrte sein Blick immer wieder zurück: zu einer eleganten Frau, Dan schätzte sie auf Mitte vierzig, und zu einem hochgewachsenen jungen Mann so um die Zwanzig an ihrer Seite. Sie standen im Schatten, ein wenig abseits. Dan fiel auf, dass sie beide nicht mitlachten.
    »Calders Frau und sein Sohn«, flüsterte ihm Rimmer zu.
    Die Frau hatte ihr dichtes, schwarzes, doch von grauen Strähnen durchzogenes Haar nachlässig hochgesteckt, so dass ihr langer, blasser Hals zu sehen war. Sie strahlte eine Art melancholischer Schönheit aus, deren Widerschein auch im Gesicht ihres Sohnes zu finden war.
    Plötzlich war es auf der Veranda still geworden. Von Calders Blick wie verhext, hatte die Fernsehreporterin ihrenText vergessen. Calder grinste sie an und zeigte dabei die weißen, makellosen Zähne eines Filmstars.
    »Wollen Sie mir noch eine Frage stellen, Sweetheart, oder sind wir fertig?«
    Das folgende Gelächter ließ sie erröten. Sie schaute sich hilfesuchend zum Kameramann um, der ihr zunickte.
    »Ich denke, wir sind fertig«, sagte sie. »Vielen Dank, Mister Calder. Das war wirklich … das war wirklich … einfach großartig.«
    Calder nickte, entdeckte dann über die Köpfe hinweg Dan und Rimmer und winkte sie herbei. Alle drehten sich zu ihnen um.
    »Ich sehe da ein paar Jungs, denen Sie vielleicht noch einige Fragen stellen möchten. Ich hätte jedenfalls gern so einiges von ihnen gewusst.«
    Aus der Dunkelheit der Scheune blickte Luke Calder über den Hof dorthin, wo sie den Kadaver untersuchten. Er kniete im
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