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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
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offenen Tor und streichelte Maddie. Sie lag da, den Kopf auf den Pfoten, schaute zu ihm auf, leckte sich die alte, grau gewordene Schnauze, und Luke streichelte die Hündin so lange, bis sie sich endlich ein wenig beruhigte.
    Rimmer hatte eine Plastikplane über die Heckklappe seines Pick-ups gebreitet und den Labrador darauf gelegt. Er stellte einige Lampen auf, damit er sehen konnte, was er mit seinem Messer tat. Der andere Mann, der mit Rimmer gekommen war, der Wolfexperte, filmte die Prozedur, während Lukes Vater und Clyde daneben standen und schweigend zusahen. Seine Mutter und Kathy waren im Haus und bereiteten das Abendbrot. Alle anderen waren zum Glück endlich nach Hause gefahren.
    Dieser Alptraum von Frau, diese Fernsehreporterin, hatte gefragt, ob sie bleiben und die Untersuchung filmen könne, aber Rimmer war entschieden dagegen gewesen. Der Wolfstyp,dieser Prior, hatte sich bereit erklärt, einige ihrer blöden Fragen zu beantworten, dabei aber eigentlich nichts gesagt und sie schließlich bestimmt, aber höflich fortgeschickt, da sie ihre Arbeit zu erledigen hätten, solange der Hundekadaver noch warm war.
    Sie häuteten ihn wie ein Reh, während Rimmer unablässig zur Kamera redete und laut erklärte, was er tat und was er sehen konnte. Luke schaute zu, als er Princes Fell wie einen Gummistrumpf vom blutigen, rosafarbenen Muskelfleisch abzog.
    »Schwere innere Blutungen und weitere Bissspuren am Halsansatz. Die Wunden sind ziemlich tief. Kannst du sie sehen, Dan? Hier, ich messe mal. Die Löcher der Schneidezähne sind vier, fast fünf Zentimeter auseinander. Muss ein ziemlich großes Tier sein.«
    Offenbar war es das Alpha-Männchen gewesen, dachte Luke, der große Schwarze.
    Luke wusste schon seit einigen Monaten, dass es oben in den Bergen Wölfe gab. Zum ersten Mal hatte er sie im Winter gehört, als das Land unter einer dicken Schneedecke lag und er mit seinen Skiern dort war, wo er sich am liebsten aufhielt, nämlich so weit fort von aller Welt wie nur irgend möglich.
    Er hatte Spuren gefunden und gleich gewusst, dass sie für Kojoten viel zu groß waren. Als er ihnen folgte, stieß er auf den Kadaver eines frisch erlegten Elchs.
    Und dann, an einem Tag im April, hatte er den Schwarzen gesehen.
    Er war ihm erst auf Skiern gefolgt, dann zu Fuß auf einen Gebirgskamm nachgeklettert, um dort eine Rast einzulegen. Es war ein wolkenloser Tag, noch kalt, aber der Frühling lag schon in der Luft. Und wie er auf einem Felsbrocken saß und ins nächste Tal hinabschaute, sah er den Wolfunter den Bäumen hervortrotten. Er suchte sich seinen Weg über eine kleine, mit schmelzendem Schnee bedeckte Weide, die an ihrem oberen Ende in einen mit Geröll bedeckten Abhang überging. Aber plötzlich war der Wolf einfach darin verschwunden, so dass Luke sich schon fragte, ob er das Ganze nur geträumt hatte.
    Dort oben hatte sich das Weibchen ihre Höhle gemacht. Und in den folgenden Wochen sah Luke auch die anderen. Als der Schnee schmolz, ritt er öfter hin, achtete aber stets darauf, sich gegen den Wind zu nähern, band Moon Eye in gehöriger Entfernung an und kletterte stets zum selben Kamm hinauf. Die letzten Meter pirschte er sich auf dem Bauch heran, das Fernglas in der Hand, zwischen den Felsen hindurch, bis er auf die Weide hinabsehen konnte. Und dort lag er dann oft stundenlang, sah manchmal keinen Wolf, manchmal alle zusammen.
    Er hatte niemandem davon erzählt.
    Später, an einem Nachmittag in der ersten Maiwoche, sah er die Welpen. Ihr Fell war noch flaumig und dunkel, und sie hielten sich noch nicht besonders sicher auf den Beinen, als sie zu fünft aus der Höhle hervorkrochen und sich blinzelnd in den Sonnenschein hockten. Stolz stand die Mutter daneben, während der Vater und zwei Jungtiere die Kleinen begrüßten und sie mit der Schnauze anstupsten, als wollten sie die Neuankömmlinge in der Welt willkommen heißen.
    Gegen Ende Juni verschwanden sie, und eine Zeitlang fürchtete Luke, sie seien getötet worden, doch dann fand er sie hoch oben im Cañon auf einer anderen Weide wieder. Der Platz schien ihm sicherer zu sein, umsäumt von Bäumen und sanft zu einem Bach hin abfallend, in dem die Welpen sich balgten und herumplanschten. Und auf dieser Wiese konnte Luke eines Morgens auch eines der Jungtiere beobachten,wie es voller Stolz von einem Jagdausflug zurückkehrte. Die Welpen rannten ihm über die Wiese entgegen, begrüßten es, rempelten es an und leckten ihm das Gesicht ab, bis es zu grinsen
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