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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
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überhaupt irgendwelche Spuren gegeben hatte, waren sie wahrscheinlich längst verwischt.
    Er machte seinen Job jetzt etwa genauso lange wie Rimmer. Ihre Vorgänger hatten beide eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieses Programms gespielt und bald darauf aus etwa den gleichen Gründen aufgehört. Sie waren »auf den Wolf gekommen« – hatten es satt, von den Ranchern angepöbelt zu werden, weil sie nicht genug gegen die Ausbreitung der Wölfe taten, und von Umweltschützern, weil sie ihnen nicht mehr Unterstützung gewährten. Sie standen einfach immer auf der falschen Seite.
    Rimmer arbeitete für eine Unterabteilung des Landwirtschaftsministeriums, die sich um Wildschäden kümmerte, und war gewöhnlich der erste, der angerufen wurde, wenn ein Rancher Probleme mit Raubtieren hatte, sei es nun ein Bär, ein Kojote, ein Berglöwe oder ein Wolf. Er war zugleich Richter, Geschworener und, falls nötig, auch Henker. Ein ausgebildeter Biologe, der aus seiner Zuneigung für diese Tiere lieber ein Geheimnis machte. Dies sowie sein geschickter Umgang mit Falle und Gewehr hatten ihm den Respekt selbst derjenigen eingebracht, die ein eingefleischtes Misstrauen gegen Staatsbeamte hegten.
    Weil er wie ein Cowboy aussah, aber auch durch seine lockere, lakonische Art, war er Dan gegenüber im Vorteil, wenn es darum ging, aufgebrachte Rancher zu beschwichtigen,die ein Kalb oder ein Schaf durch einen Wolf verloren hatten (oder verloren zu haben glaubten). Für solche Leute würde Dan stets der Außenseiter von der Ostküste bleiben. Der eigentliche Unterschied zwischen ihnen beiden aber war der, dass die Rancher in Rimmer einen Mann sahen, der ihnen helfen konnte, während sie Dan für einen der Leute hielten, die das Problem verursacht hatten. Aus ebendiesen Gründen war Dan froh, wenn er Rimmer an seiner Seite wusste, vor allem in einer Situation wie der, die sie nun erwartete.
    Sie ließen den letzten Streifen Asphalt hinter sich und bogen auf den grauen Kiesweg ein, der sich durch das Tal hinauf zu den Bergen schlängelte. Eine Weile fuhren sie, ohne ein Wort zu sagen, lauschten nur auf die Räder, die über den Kies knirschten und hinter dem Wagen eine Staubwolke aufwirbelten. Durch die offenen Fenster wehte warme Abendluft herein. Zwischen der Straße und dem schattigen Grün der Pyramidenpappeln am Fluss hielt ein Falke Ausschau nach einem abendlichen Imbiss. Schließlich brach Dan das Schweigen.
    »Hast du je von einem Wolf gehört, der versucht, sich ein Baby zu schnappen?«
    »Noch nie. Wahrscheinlich ist er von Anfang an hinter dem Hund her gewesen.«
    »Glaub ich auch. Was ist mit diesem Calder? Kennst du den?«
    »Ich habe ihn einige Male getroffen, ein ziemlicher Brocken.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Rimmer grinste, ohne ihn dabei anzuschauen, und schob seinen Hut mit dem Zeigefinger ein wenig höher.
    »Wirst schon sehen.«
    Das Tor zur Ranch der Calders war eine wuchtige Konstruktionaus verwittertem, massivem Kiefernholz, an dessen Querbalken der Schädel eines Longhornochsen hing. Dan musste an den Eingang zum »Cañon des Verhängnisses« denken, einer Wildwestachterbahn, die ihm und Ginny letztes Jahr in Florida eine Heidenangst eingejagt hatte.
    Sie rumpelten über den Weidenrost, vorbei an dem Holzschild, auf dem »Calder Ranch« stand. Auf dem kleineren, frisch gemalten Schild darunter stand einfach nur »Hicks«. Dan nahm nicht an, dass das irgendwie witzig gemeint war.
    Sie fuhren unter dem Schädel hindurch und folgten etwa eine Meile weit dem sich zwischen kleinen, buschbewachsenen Hügeln durchschlängelnden Weg, bis schließlich die Calder-Ranch vor ihnen auftauchte. Imposant thronte das Gebäude auf dem nach Süden gewandten Hang eines niedrigen Felsens, der vermutlich Schutz vor winterlichen Schneestürmen, vor allem aber einen eindrucksvollen Blick über die besten Weiden des Calderschen Reiches bot. Das Haus war aus massivem, hellem Holz gebaut und zwei Stockwerke hoch, doch derart langgestreckt, dass man glaubte, ein flaches, unverrückbar im Boden verankertes Gebäude vor sich zu haben.
    Vor dem Haus lag ein breiter, betonierter Hof, an dessen einer Seite sich eine beeindruckende Ansammlung von weißen, frisch gestrichenen Scheunen befand, während auf der anderen Seite drei silberne Futtersilos standen, die sich wie Raketen über ein Netzwerk von Pferchen erhoben. In der Weide dahinter wuchs aus der Karosserie eines Fords Model T eine breitkronige Pyramidenpappel, deren Stamm vom
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