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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
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wieder zugenommen …«
    Sein Vater lachte zynisch. »Was Sie nicht sagen.«
    »Und da sie manchmal ziemlich weite Entfernungen zurücklegen, ist es nicht immer einfach, jederzeit zu wissen, wo sie sich gerade aufhalten oder …«
    »Ich dachte, Sie verpassen ihnen ein Halsband mit Peilsender?«
    »Manchen, Sir, nicht allen. Und Ihre Tochter ist sich sicher, dass dieser Wolf kein Halsband getragen hat. Bis heute hatten wir außerdem keinerlei Anzeichen für irgendwelche Aktivitäten von Wölfen in dieser Gegend. Vielleichthaben wir es hier mit einem Streuner zu tun, einem Einzelgänger, der sich von seinem Rudel getrennt hat, das möglicherweise viele Meilen entfernt lebt. Vielleicht stromert er auch mit anderen Tieren herum, die mit einem Halsband gekennzeichnet sind. Eben das wollen wir ja herausfinden, und deshalb werden wir ab morgen nach ihm suchen.«
    »Tja, das will ich hoffen, Mr. Prior. Genauso wie Clyde hier, wie Sie sich gewiss denken können.« Er legte den Arm um seinen Schwiegersohn. Clyde schien sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut zu fühlen, brachte aber ein ernstes Kopfnicken zustande.
    »Was wollen Sie tun, wenn Sie die Tiere gefunden haben?«
    »Ich glaube, wir müssen erst mehr über sie wissen, ehe wir dazu etwas sagen können«, antwortete Prior. »Ich kann jedenfalls verstehen, dass Sie ziemlich aufgebracht sind; doch falls es Ihnen ein Trost ist, lassen Sie mich Ihnen sagen, dass bislang in Nordamerika noch niemals ein Mensch von einem gesunden, wilden Wolf getötet worden ist.«
    »Wirklich?«
    »Ja, Sir. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dieser Wolf hier von Anfang an hinter dem Hund her. Vermutlich ging es um irgendwelche Revieransprüche.«
    »Ach ja? Sagen Sie, Mr. Prior, woher kommen Sie?«
    »Ich wohne in Helena, Sir.«
    »Nein, ursprünglich, meine ich; wo sind Sie geboren und aufgewachsen? Irgendwo im Osten, nehme ich an.«
    »Ja, stimmt. Ich komme aus Pittsburgh.«
    »Pittsburgh, hm, aus der Stadt also.«
    »Ja, Sir, aus der Stadt.«
    »Also ist
das
wohl Ihr Revier, oder?«
    »Nun ja, in gewisser Weise.«
    »Dann lassen Sie mich Ihnen etwas sagen, Mr. Prior.«
    Er schwieg kurz, doch Luke kannte den Blick seinesVaters, diese Andeutung eines Lächelns, die aufblitzende Verachtung, die Luke sein Leben lang gefürchtet hatte, da sie jedes Mal eine vernichtende Bemerkung ankündigte, irgendeine witzige, bissige Wortspielerei, nach der man sich am liebsten irgendwo verkrochen hätte.
    »Das hier ist
unser
Revier«, fuhr sein Vater fort. »Und wir erheben darauf auch durchaus ›irgendwelche Revieransprüche‹.«
    Es folgte angespanntes Schweigen, in dem der Blick seines Vaters diesen Prior wie in einem Schraubstock gefangen hielt.
    »Wir wollen hier keine Wölfe, Mr. Prior.«

3
    Buck Calder wurde auf den Namen Henry Clay Calder III. getauft, doch hatte ihm die Vorstellung noch nie behagt, der dritte oder auch nur der zweite von irgendwas zu sein, und für alle, die ihn mochten oder auch nicht, war er stets Buck und nicht Henry gewesen.
    Den Spitznamen Buck, also Bock, hatte er mit vierzehn erhalten, als er in einem Rodeo der Highschool sämtliche Preise abräumte und erst, als er alles gewonnen hatte, damit herausrückte, dass er sich zwei Finger gebrochen und das Schlüsselbein angeknackst hatte. Doch selbst damals schon war die eher auf die Fleischeslust bezogene Nebenbedeutung seines Namens den aufgeklärteren Klassenkameradinnen kein Geheimnis mehr. Sie tuschelten hinter vorgehaltener Hand über ihn, besonders einmal, als sein Name an einer Wand der Mädchentoilette auftauchte, wo er sich auf ein Wort reimte, von dem er sich nur durch einen Buchstaben unterschied.
    Hätte irgendeines dieser Mädchen es gewagt, solcherlei Geheimnisse ihrer Mutter anzuvertrauen, wäre es vielleicht auf weniger Erstaunen gestoßen als vermutet. Denn die vorhergehende Generation von Schulmädchen hatte ähnliche Gefühle für seinen Vater, Henry IL, gehegt. Offenbar kannte dieser eine besondere Kussmethode, die ein Mädchen nicht so schnell vergaß. Eine gewinnende Art im Umgang mit Frauen schien also im Genpool der männlichen Calders angelegt zu sein.
    Von Bucks Großvater, Henry I., sind derart intime Details nicht überliefert. Die Geschichte gibt nur Zeugnis seiner Robustheit, denn er war es, der 1912 einige Kühe und ein paar Hühner, eine junge Braut und ihr Klavier auf einen Zug Richtung Akron, Ohio, lud und gen Westen aufbrach.
    Als sie ankamen, mussten sie feststellen, dass das beste Land
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