Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
wusste er, dass der Welpe verbluten würde. Wenn er noch mehr Zeit vergeudete, waren vermutlich auch alle anderen Tiere verloren. Also legte er den Kleinen wieder dahin, wo er ihn gefunden hatte, und ließ ihn am Draht hängen wie einen Fisch an der Angel.
    Währenddessen bellte und heulte die Wölfin über die Rodung hinweg und lief unruhig auf und ab. Sie glaubte gewiss, er wolle ihren Wurf umbringen. Selbst hier unten in der Höhle konnte er sie noch hören.
    Er robbte sich Zentimeter um Zentimeter vor, den Stock mit der Spritze vor sich herschiebend. Der Gang war enger als der, den er im letzten Sommer mit Helen erkundet hatte,außerdem schien er länger zu sein. Hier und da, wo die Wölfin auf Fels gestoßen war, machte er zudem eine Biegung. Ein schwacher Geruch nach Ammoniak, der allmählich stärker wurde, hing in der Luft. Vermutlich stammte er vom Urin der Welpen. Bis zur eigentlichen Wurfhöhle konnte es also nicht mehr weit sein.
    Er hielt den Stock ins Licht der Taschenlampe für den Fall, dass die Wölfin ihm durch den zweiten Eingang entgegenkam. Er hatte keine Ahnung, wie viele Welpen er vorfinden würde. Helen sagte, dass es durchaus neun oder zehn sein könnten.
    Dann hörte er sie plötzlich winseln, und als er sich einen Augenblick später um die letzte Biegung geschoben hatte, sah er sie unvermittelt vor sich, einen dunklen, pelzigen, wimmernden, ins Licht blinzelnden Haufen am anderen Ende der Höhle. Er hätte nicht sagen können, wie viele es waren. Es schienen aber kaum mehr als fünf oder sechs Tiere zu sein.
    »He, da«, sagte er leise. »Ist ja gut. Alles wird wieder gut.«
    Er legte Stock und Taschenlampe beiseite, zog die Leinentasche heraus, die er sich unters Hemd gestopft hatte, machte sie auf und kroch näher an die Welpen heran. Es waren fünf. Er fragte sich besorgt, ob er sie alle auf einmal mitnehmen konnte. Vermutlich war der Tunnel dafür zu eng, und er wollte nicht riskieren, dass sich die Tiere verletzten. Also beschloss er, es erst einmal mit dreien zu versuchen und dann zurückzukommen, um die beiden letzten zu holen.
    Er griff in das Fellknäuel und nahm sich den ersten Welpen heraus. Sein Fell war weich und flauschig; der Kleine wimmerte.
    »Ich weiß, ich weiß, tut mir leid.«
     
    »Fahren Sie den Wagen zur Seite«, sagte Buck Calder.
    »Nein.«
    Helen rührte sich nicht vom Fleck, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie gab sich größte Mühe, selbstbewußt und unnachgiebig zu erscheinen. Ihr Kopf reichte ihm gerade mal bis zur Brust. Sie spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Sie lehnte mit dem Rücken an der Fahrertür und bedauerte, nicht abgeschlossen zu haben, bevor sie den Schlüssel versteckt hatte. Ihr war längst jedes Zeitgefühl abhanden gekommen. Sie wusste nur noch, dass Luke mehr Zeit brauchen würde, die Welpen zu holen, als sie ihm verschaffen konnte.
    Eleanor hatte den Versuch, mit ihrem Mann zu reden, aufgegeben und bemühte sich, ihren Schwiegersohn von der Beseitigung des zweiten Baums abzuhalten. Die erste Tanne hatten die Hardings bereits von der Straße gezogen. Hicks stand nur kopfschüttelnd da, ohne ihr Beachtung zu schenken.
    »He, du blöde Ziege!«, rief jemand. »Fahr endlich deinen verfluchten Truck weg!«
    Helen erkannte in dem Mann den Bärtigen wieder, dem sie schon vor dem Gerichtsgebäude begegnet war. Er und einige andere Männer hatten ihre Waffen gezogen, wieder andere brachen Äste von den Bäumen, umwickelten sie mit Lappen und tauchten sie in Benzin.
    »Toll, Jungs!«, rief Helen. »Stecken wir jetzt auch noch ein Kreuz in Brand?«
    »Wenn du dich dran nageln lässt!«
    »Craig!«, rief Buck. »Ist dieser Wagen ein Hindernis für den öffentlichen Verkehr?«
    »Natürlich.«
    Buck drehte sich zu ihr um.
    »Fahren Sie ihn nun zur Seite?«
    »Nein.«
    Er schaute über ihre Schulter in den Pick-up.
    »Geben Sie mir die Schlüssel.«
    Er hielt ihr die geöffnete Hand hin, und Helen musste sich zusammenreißen, um nicht hineinzuspucken. Hinter ihm sah sie Eleanor mit Abe Harding reden. Sie erklärte ihm gerade, dass er ohnehin schon bis zum Hals in Schwierigkeiten stecke und eine ganze Weile ins Gefängnis müsse, wenn er jetzt nicht kehrtmache. Doch er hörte ihr nicht zu. Hinter dem Laster ihres Schwiegersohns, auf dessen Ladefläche die beiden kläffenden Hunde angebunden waren, wurde gerade der zweite Baum zur Seite gezerrt.
    Die Männer zündeten die Fackeln an.
    Buck Calder versuchte, um sie herum nach der Türklinke zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher