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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs
Autoren: Nicholas Evans
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direkt darunter.«
    »Schaut!« schrie Wes Harding. »Da ist einer!«
    Er zeigte zum Rand der Rodung. Sämtliche Taschenlampen richteten sich sofort auf die Stelle. Nur wenige waren so stark, dass ihr Lichtstrahl die weiße Wölfin erreichte, die dort stand und sie anstarrte. Noch während die Männer zu ihr hinübersahen, stieß sie ein langgezogenes Heulen aus.
    Buck riss sein Gewehr hoch, doch drei oder vier andere Männer waren schneller, und gleich darauf krachte eine ganze Salve.
    Es ließ sich unmöglich sagen, von wie vielen Schüssen sie getroffen wurde. Ihre Wucht reichte aus, um sie in die Luft zu schleudern. Sie war tot, noch bevor sie wieder auf dem Boden aufkam.
    »Hört alle mal her!«, rief Buck. »Ich muss hier einen Job erledigen. Zwei von den Bestien habe ich heute schon umgebracht, wenn also einer ins Gefängnis wandert, dann bin ich das, okay? Wenn noch eins von diesen Biestern auftaucht, gehört es mir. Verstanden?«
    Sie ließen zustimmendes Gemurmel hören.
    »Und Abe und ich werden Zellennachbarn. Stimmt’s, Abe?«
    Abe lächelte nicht.
    »Also gut. Habt ihr Schaufeln und Benzin?«
    Die Holzfäller bejahten.
    »Dann lasst uns gehen.«
    Der Weg zur Höhle war schwieriger, als er ausgesehen hatte. Sie mussten über gefällte Stämme, Baumstümpfe undWurzeln steigen, die sie immer wieder stolpern ließen. Clyde ging mit der Lampe voran; Buck folgte ihm mit entsichertem Gewehr, ohne die Höhle aus den Augen zu lassen.
    Sie hatten fast die Hälfte des Wegs geschafft. Er konnte das schwarze Loch der Höhle in der fahlen, mondhellen Erde nun deutlich erkennen. Plötzlich bemerkte er, wie sich die Kontur der Höhle zu verändern schien. Ein zweiter Wolf! Er wollte nicht laut rufen, weil die anderen sonst sofort schießen würden.
    Stattdessen flüsterte er Clyde zu, er solle stehenbleiben.
    »Da kommt einer aus der Höhle. Halt die Lampe drauf, sobald ich dir Bescheid gebe.«
    Er hob das Gewehr und richtete das Fadenkreuz auf die sich bewegende Gestalt am Eingang der Höhle.
    »Jetzt!«
    Im selben Moment, als der Lichtstrahl sein Ziel fand, drückte Buck ab, und der Schuss hallte von den Bergen wider.
    Ein Schrei. Laut und schrecklich.
    Und Buck wusste ebenso wie alle anderen, die diesen Schrei hörten, dass ihn kein Wolf ausgestoßen hatte.
     
    »Luke? Luke?«
    Es war der Mond, der ihn rief, doch er wusste nicht, warum und was er von ihm wollte. Er konnte auch nicht verstehen, warum er immer wieder in einem Wirbel roter Wolken verschwand, dann aber plötzlich wieder auftauchte. Diese Wolken wirkten so flüssig und schienen so nah, fast, als seien sie in seinen Augen. Bald schon merkte er, dass er ihnen seinen Willen aufzwingen konnte, denn sooft seine Augen sich füllten und der Mond sich rot färbte, brauchte er nur zu blinzeln, und schon war der Mond wieder da und rief nach ihm.
    »Luke? O mein Gott. Luke?«
    Es klang wie sein Vater, aber das konnte nicht sein, denn sein Vater wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Da waren aber auch noch andere Stimmen. Stimmen, die er nicht kannte, und manchmal ragten Schatten vor dem Mond auf, und er wünschte sich, sie würden aus dem Weg gehen und ihn in Ruhe lassen, damit er den Mond betrachten konnte.
    Er dachte daran, es ihnen zu sagen, da er wusste, dass er eine Stimme hatte. Helen hatte sie für ihn gefunden. Doch er wusste nicht, wo diese Stimme jetzt war. Vielleicht hatte Helen sie sich ausgeliehen. Da war so etwas wie ein kalter Raum in seiner Kehle, wo sonst seine Stimme gewesen war, eine Höhle in einer Schneewehe. Das war das Einzige, was er fühlte. Und wenn er blinzelte, fühlte sich eines seiner Augen so komisch an, er war sich nicht mal sicher, ob er damit noch sehen konnte. Irgendwas Nasses, Klumpiges schien in diesem Auge zu sein, das er nicht mal mit Blinzeln fort bekam.
    Schrab-schrab-schrab.
    Jetzt zog noch ein Mond über den Himmel. Vielleicht war es auch ein Stern oder ein Komet. Doch war er viel weiter unten und ganz, ganz hell. Er blendete. Er tat seinem Auge weh. Und jetzt konnte er auch hören, wie er lauter und lauter wurde.
    Schrab-scbrab-schrab-schrab.
    Dann schwammen der neue und der alte Mond in roten Wolken.
    Aber es waren keine Wolken. Es waren Vorhänge, rote Vorhänge, die sich vor dem Himmel zuzogen. Diesmal konnte er die Vorhänge nicht aufblinzeln. Jemand versuchte, ihm zu helfen, aber diesmal blieben die Vorhänge zu.
    Karmesinrote Vorhänge.
    Schrab-scbrab-schrab-schrab.
    Wo war sie?
    Er wollte, dass sie ihm seine
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