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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation
Autoren: Jan Guillou
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bestimmten Flug hinter sich hatte. Rune Jansson fiel es jedoch schwer, den Beweiswert der beschlagnahmten Bordkarte zu erkennen, was seiner fragenden Miene anzusehen war.
    Der Stockholmer sagte nichts, sondern zeigte nur mit dem Daumen auf ein weißes Feld in der unteren linken Ecke. Dort stand in viereckiger Computerschrift AF 129. Rune Jansson ahnte mehr, als daß er verstand. Der Stockholmer nickte zur Bestätigung. Dann faßte er sich sehr kurz.
    »Angesichts dieses Fluges ergibt sich eine spezielle Lage. Wie du vielleicht verstehst, hast du unseren schwedischen James Bond da drinnen. Und im Hinblick auf das, was sich während dieser Flugzeugentführung ereignet hat, verwette ich meinen Kopf darauf, daß an diesem Messer arabisches und kein polnisches Blut klebt. Ich meine, die Wahrscheinlichkeit, daß die beiden Opfer identische Blutgruppen haben, ist ziemlich gering. Wenn ich das Ganze recht verstanden habe, hat er einem der Entführer den Hals durchgeschnitten.«
    Rune Jansson nickte stumm. Das alles traf auf höchst besorgniserregende Weise zu. Der Stockholmer hatte wohl wieder mal recht, wie üblich.
    »Ich glaube trotzdem, daß er es ist«, brummelte Rune Jansson sauer.
    »Natürlich ist er es, aber beweise es doch erstmal«, sagte der Stockholmer fröhlich, machte auf dem Absatz kehrt und ging.
    Rune Jansson blieb eine Weile stehen und drehte die Kunststoffhülle mit dem deprimierenden Beweisstück in der Hand. Dann holte er tief Luft, ging wieder ins Vernehmungszimmer und packte den Stier entschlossen bei den Hörnern. Er zeigte auf das Foto.
    »Also«, sagte er mit gespielter Entschlossenheit und inneren Zweifeln, »wir haben an diesem Messer Spuren menschlichen Blutes gefunden. Wie ist das zu erklären?«
    Diese Behauptung war eine leichte Übertreibung. Bislang war es nur eine Vermutung, daß es sich um Spuren menschlichen Blutes handelte, und der Weg bis zur Blutgruppenbestimmung war noch lang und voller Unwägbarkeiten.
    Carl war immer noch ebenso ausdruckswie aggressionslos, als er antwortete. Er schien sehr müde oder deprimiert zu sein.
    »Als du rausgegangen bist, habe ich mir das Foto genau angesehen. Nein, es ist nicht ihr Blut. Das Messer auf diesem Bild ist eine Dienstwaffe, die ich nur im Dienst anwende. Es handelt sich nicht um das Messer, mit dem Maria Szepelinska der Hals durchschnitten wurde.«
    »Woher weißt du überhaupt, daß ihr der Hals durchschnitten wurde? Das wissen nämlich nur wir und der Täter.«
    »Das ist nicht schwer zu erraten. Ihr habt mich im Verdacht, und Dienstwaffen dieses Typs werden eben so angewendet. Stichwaffen haben eine ganz andere Form.«
    »Jetzt hast du dich verplappert, würde ich sagen.«
    »Du kannst denken, was du willst. Ich bin nicht hergekommen, um zu lügen, sondern um eine Straftat zu leugnen.«
    Rune Jansson schwieg eine Zeitlang und versuchte zu bewerten, was Carl gesagt hatte.
    Er beschloß, den absichtlichen Versprecher - denn er war mit Sicherheit absichtlich - als heimliche Bestätigung zu werten, etwa, als wollte der andere zugeben, er sei zwar der Täter, doch zu einem Geständnis im Sinne des Gesetzes würde er es nie kommen lassen.
    »Was zum Teufel treibt ihr eigentlich, ihr Militärs?« fragte Rune Jansson schließlich. Er hatte schon resigniert.
    »Erstens«, sagte Carl langsam, »hast du vermutlich gar kein Recht, mir solche Fragen zu stellen. Und zweitens habe ich auch kein Recht, sie zu beantworten. Du verstehst hoffentlich, was ich damit sagen will.«
    Die beiden Männer blickten sich kurz an, beide erschöpft und rotäugig. Schließlich hob Rune Jansson das Foto von Carls Dienstwaffe hoch, hielt es kurz zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ es dann in den Papierkorb fallen.
    »Es ist merkwürdig«, sagte er ohne jeden Anflug von Cleverneß in der Stimme, »aber ich werde natürlich nie erfahren, weshalb du sie getötet hast. Vielleicht hast du auch das im Dienst getan. Vielleicht mache ich mich nur zu einem blöden Bullen vom Lande, der sich in geheime Angelegenheiten des Landes einmischt und sich einbildet, Mord sei ungesetzlich. Ich habe das komische Gefühl, daß ich nichts weiter bin als ein eifriges kleines Zahnrad ganz unten in der Maschinerie. Das Uhrwerk wird jedoch von den großen Zahnrädern in Bewegung gehalten, und mir bleibt nur, mich treiben zu lassen.«
    »Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen«, sagte Carl. »Lustigerweise habe ich es mir selbst fast genauso vorgestellt. Hier sitzen wir also. Aber jetzt
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