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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation
Autoren: Jan Guillou
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erforderlich ist, egal, um welche Waffen es sich handelt. Wenn der Generalstab es bestätigt hätte, hätte auch ein Panzer als Dienstwaffe durchgehen können. Und es war offenkundig, daß die erzürnten Vertreter der fraglichen militärischen Dienststelle bereit waren, im Fall Hamilton für alles zu bürgen.
    Damit erübrigte sich auch die Frage, ob es legal sei, zu Hause so viel Munition zusammen mit den Waffen aufzubewahren. Beides war zuverlässig eingeschlossen, und bei einer entsprechenden Kontrolle würde jeder beliebige Heimwehrmann in weit größere Schwierigkeiten geraten.
    Am Ende blieb nur noch eine Hoffnung. Die Untersuchung, zu der sich die Überstunden machenden Techniker freundlicherweise bereit erklärt hatten, ergab als vorläufiges Ergebnis, daß auf den beschlagnahmten Kleidungsstücken kaum Blutspuren oder ähnliches zu finden war. Hingegen wurden an einem Militärmesser Blutspuren entdeckt.
    Um acht Uhr morgens wurde ein stoppelbärtiger Carl Hamilton, dessen Augen blutunterlaufen waren, von der Zelle im Keller ins oberste Stockwerk des Polizeihauses gebracht, wo ein ebenso stoppelbärtiger und rotäugiger Kriminalinspektor aus Norrköping in einem Vernehmungszimmer auf ihn wartete. Auf dem leeren Schreibtisch lag nur ein Foto. Es zeigte ein Messer mit schwarzblau eloxierter, rasiermesserscharfer Klinge aus japanischem Spezialstahl und mit tarnfarbenem Kunststoffschaft.
    Als die Straftvollzugsbeamten die beiden Männer allein gelassen hatten, setzte Carl sich schwer hin, ohne ein Wort zu sagen. Er starrte mit leerem Blick, fast apathisch, vor sich hin, und es war nicht zu erkennen, ob aus Erschöpfung oder aus anderen Gründen. Doch Rune Jansson wußte, daß er endlich seinen Mörder bekommen hatte und daß die Blutspuren an dem Messer auf dem Foto vor ihm auf der Tischplatte wahrscheinlich zu einem entscheidenden Beweis und bei der kommenden Vernehmung mehr als wahrscheinlich zu einer Trumpfkarte werden würden.
    Er entdeckte plötzlich, daß der Häftling am linken Ohr schwärzliches, geronnenes Blut hatte, was ihn so ablenkte, daß er nicht gleich auf seinen Triumph lossteuerte.
    »Du blutest am Ohr«, stellte er fest.
    »Ja«, sagte Carl leise. »Gestern nachmittag ist ein Trommelfell geplatzt.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Ich fürchte, das wirst du nie erfahren. Ich weiß jedenfalls, worum es geht, da ihr mich schon vorher verhört habt! Ich habe meiner Aussage nichts hinzuzufügen, und falls ihr mich vorläufig festnehmen wollt, verlange ich einen Anwalt. Im übrigen verweise ich auf Kapitän zur See Samuel Ulfsson beim Generalstab. Das ist alles.«
    Die beiden Männer sahen sich forschend, doch ohne Feindseligkeit an. Keiner von ihnen hatte Grund zur Antipathie. Beide taten nach bestem Wissen und Gewissen, was ihr Job von ihnen verlangte, und beide setzten voraus, daß der Gegenspieler dies wußte.
    »Wie viele Menschen hat so einer wie du schon umgebracht?« fragte Rune Jansson, von einem ebenso plötzlichen wie unausweichlichen Impuls getrieben. Er bereute es zu spät.
    »Diese Frage kann ich unmöglich beantworten«, sagte Carl fast flüsternd und wandte sich ab.
    »Jedenfalls glaube ich, daß wir dich wegen dieses Mordes festnageln können«, sagte Rune Jansson ohne große Begeisterung, doch mit aufflammender Entschlossenheit.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Carl so leise wie zuvor und in einem Tonfall, als würde er diese Feststellung fast bedauern.
    »Du glaubst wohl, an alles gedacht zu haben«, knurrte Rune Jansson.
    »Das ist mein Job«, entgegnete Carl. Er blickte immer noch zur Seite und strich sich mit beiden Handflächen von der Stirn über die Augen, als hätte er Kopfschmerzen.
    »Willst du damit sagen, daß es dein Job war, dieses Mädchen zu ermorden?«
    Carl schüttelte nur den Kopf und sah mit einer vielsagenden Geste auf die Uhr. Gleichzeitig klopfte es an der Tür. Rune Jansson entschuldigte sich und verließ den Raum.
    Es war der unerträglich smarte Sherlock-Holmes-Typ von der Reichspolizeiführung. Er hielt eine Kunststoffhülle in der Hand, die er Rune Jansson ohne Erklärung überreichte.
    Dieser starrte sie an und buchstabierte sich dann langsam durch den Text auf dem blau-weiß-roten Karton. Carte d’accès à bord hieß es da, darunter Boarding Pass auf englisch sowie Air France mit großen blauen Buchstaben unter dem Firmenlogo, schräge blaue, weiße und rote Linien. Es ließ sich mühelos erkennen, daß es der Beweis dafür war, daß jemand einen
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