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Im Hyperraum

Titel: Im Hyperraum
Autoren: Jeffrey A. Carver
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ersten Schluck merkte er, wie ihm das Blut den Rücken hinauf in den Hinterkopf schoss, gefolgt von einem Kick gegen das Brustbein. Der Alkohol funkelte, als zwinkere er ihm komplizenhaft zu, während er über den Rand des Glases schäumte und seine Lippen benetzte. Dieser Drink half einem beim Nachdenken, und er schmeckte leicht nach Absinth mit einer Prise Trakekraut.
    Er entsann sich an eine Bar in den orbitalen Raumdocks von Eridani Neverlight, einer der wenigen Orte, die er mit angenehmen Erinnerungen verband. Eine seltsame Assoziation, wenn man berücksichtigte, was für eine bizarre und düstere Welt Neverlight selbst darstellte; ein heißer Planet mit einer extremen Bahnneigung gegen die Ekliptik, ausschließlich an den beiden Polen bewohnbar, wenn dort ein halbes Jahr lang ständige Nacht herrschte.
    Sein Aufenthalt in den orbitalen Raumdocks vor sechs Jahren war höchst ungewöhnlich gewesen. Er gönnte sich einen Urlaub nach einem gut bezahlten Job, und er freundete sich mit Lenia Stahl an, einer Raumfahrerin, die im Neverlight System beheimatet war. Er wunderte sich, wieso ihn diese Erinnerungen ausgerechnet jetzt heimsuchten; und dann wusste er die Antwort. Über der Bar prangte ein holografisches Wandbild, das einem Hologramm in jener anderen Station glich. Die Abbildung zeigte einen blühenden tropischen Archipel in einem Ozean, der wie ein Juwel glänzte. Während er das Hologramm betrachtete, wechselte das Bild. Nun blickte er auf eine zum Superriesen aufgeblähte Sonne, ein blutrotes Auge mit einem zu schwarzer Schlacke ausgeglühten Planeten im Vordergrund. Der von dem Bild ausgehende Schimmer übergoss die Bar mit einem scharlachroten Licht und durchdrang Panglors Gedanken. In der Rückschau sah er Neverlight OrbSpace, Lenia Stahl … klammerte sich an die Reminiszenzen … schwelgte in ihnen … wollte sie gar nicht mehr loslassen …
    Er riss sich zusammen, und seine Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Ein Jahr lang hatte er mit Lenia Stahl korrespondiert; doch er war nie zurückgekehrt, um sie zu besuchen, und er hatte es auch in absehbarer Zukunft nicht vor. Die Erinnerungen an sie waren mit Wehmut durchsetzt.
    Wieder führte Panglor den Slaker an die Lippen. Die Hand, die das Glas hielt, zitterte leicht. Er festigte den Griff um den Stiel und gab dem Barkeeper ein Zeichen. Er wollte ein Barloam Stew bestellen, etwas, um seine Nerven zu beruhigen.
    Das Wandbild flackerte. Darauf zeigte es eine nebelverhangene Landschaft; einen Raumhafen auf der Planetenoberfläche, der von orangegelben Wolken zum Teil verhüllt wurde. Ein winziges Schiff war gerade dabei, auf einer mit blinkenden roten Markierungen bestückten Landeplattform niederzugehen; die Triebwerke spien Flammen in eine triste Welt. Er fühlte sich an den Raumhafen auf Skyll erinnert, in der Boreaum Matrix, den trostlosesten Ort, den Panglor je gesehen hatte – eine Welt, die die Seele zu Eis gefrieren ließ und Menschen in Schattenwesen verwandelte. Einmal war Panglor dort gelandet; die wenigsten steuerten diese Einöde ein zweites Mal an.
    »Sir?« Der Barkeeper fasste ihn lauernd ins Auge.
    Panglor zuckte zusammen. Er schüttelte den Kopf, schloss die Augen, und spürte, wie der Druck in seinem Schädel zunahm. Er machte die Augen wieder auf und trank den Rest seines Slakers aus. Funkelnd perlten die Tropfen aus dem Glas in seinen Mund und explodierten dort in einer Mischung aus Hitze- und Kälteschauern. Ihm war, als stünde er unter Strom.
    Er stellte das Glas ab, berührte den Quittungssensor an der Bar und rutschte unsicher vom Hocker. Ein Mann in roten Beinkleidern beobachtete ihn voller Neugier. Panglor wappnete sich innerlich und sah sich nach dem Ausgang um. Und wieder kribbelten seine Nervenbahnen, als er das Lokal durchquerte, wie wenn unsichtbare Finger seine Lenden massierten und ihm eine sexuelle Erregung verschafften. Verdammte Hormone, fluchte er in Gedanken.
    Nein. Es lag nicht an den Hormonen. Es handelte sich um eine externe Stimulation; man versuchte, ihm sexuelle Dienstleistungen zu verkaufen.
    Er verließ das Lokal, und das Ziehen in seinem Unterleib verschwand.
    Es war 21.20 Uhr, und er sollte sich besser in die Sky Lore Lounge begeben, wo immer die sich befinden mochte, um seine Kontaktpersonen zu treffen. Während er drauflos marschierte, rieb und kratzte er sich die Seiten. Seine Gedanken schweiften unentwegt ab, auf nichts konnte er sich konzentrieren. Er legte einen Schritt zu und bemühte sich,
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