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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein
Autoren: Andrea Vanoni
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tagelangen Auseinandersetzungen waren sie plötzlich wie im Fieber aufeinander losgegangen, hatten hitzigen Sex und lagen schließlich schweißgebadet nebeneinander auf dem Bett. Er hatte ein großes Badetuch geholt, sie darin eingewickelt, und dann war sie in den Tiefschlaf gesackt.
    Auch um ihm zu zeigen, dass sie ihm vergeben hatte, brachte sie ihn am nächsten Morgen zum Bahnhof. Der sonnig-warme Herbst ging zu Ende. Als sie aus dem Haus traten, merkte sie, dass sie mit ihrem dünnen Sommermantel zu leicht angezogen war. Die kalte Luft legte sich um ihren Körper, und ihr Atem färbte die Luft weiß. Als der Zug losfuhr, winkte sie mit dem ausgeblichenen Taschentuch, das er ihr einmal geschenkt hatte.
    Im Auto, auf dem Weg vom Bahnhof zum Büro, ertönte ihre Handymelodie, und aus der Ferne drang Jonas’ Stimme an ihr Ohr. Sie fuhr rechts ran und hielt, um in Ruhe sprechen zu können. Er rief aus Islamabad an und wollte wissen, ob sie seine Liebe über die Distanz spüren könne. In dem Moment begannen die Glocken der Gedächtniskirche zu läuten. »Deine Liebe läutet mir ins Gedächtnis«, scherzte sie.
    »Woran denkst du?«
    »An alte Teenieträume und unsere Hotelstunden.«
    »Ich habe dich nicht verstanden, ich höre nur Hochzeitsglocken.«
    Sie lachte.
    Er sagte: »Ich fahre gerade nach -«, da brach die Verbindung ab.
     
    Als sie vom Auto ins Büro ging, kam die Sonne durch, und es wurde wieder so angenehm warm wie in den letzten Tagen. Die erneute Begegnung mit Jonas kam ihr wie ein Wunder vor. Mitten in den Alltag tritt die große Liebe ihrer Jugend in Fleisch und Blut, Jonas, fassbar und real, kein Kleinmädchentraum mehr, sondern ein erfahrener, zärtlicher Mann.
    Doch jetzt ist er wieder davon, wieder in den Lüften ihrer Träume und Fantasien? Passt so jemand überhaupt zu einem bodenständigen und handfesten Menschen, wie sie es ist? Sie hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn sie musste die Akte fertig machen, bevor sie Chris aus dem Krankenhaus abholte.
    Der Fall war nun abgeschlossen. Es blieb noch die Vorbereitung der Anklage wegen Vergewaltigung gegen Dr. Moritz Mendel. Wenn sie seine Aussagen las, tauchten vor ihren Augen die Bilder von Johanna Frenzi als lebenslustiger Kellnerin auf.
    Nachdem sie die Arbeit beendet hatte, klemmte sie sich den Ordner unter den Arm, sagte Ulla kurz Bescheid und ging zur Treppe.
    »Hallo, Frau Hauptkommissarin!«
    Sie drehte sich um. Marius stand da und zog lächelnd die Augenbrauen hoch.
    »Hallo«, sagte sie kurz und blieb nur stehen, ging nicht auf ihn zu.
    »Der Moment ist vielleicht nicht sehr passend, aber ich wünsche schöne Resturlaubstage.«
    »Danke.« Sie wollte weiter, aber er hielt sie noch einmal auf.
    »Werden Sie wieder in demselben Hotel auf Usedom absteigen?«
    Sie musste lachen. »Ich glaube kaum.«
    »Schade. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, mir das nette Strandhotel von Ihnen zeigen zu lassen. Ich weiß immer noch nicht, wohin ich fahren könnte.«
    Sie nahm seinen ironischen Ton auf. »Es gibt bei Ulla ein kleines Heftchen: Hilfen zur Entscheidungsfindung . Das wird sie Ihnen gerne ausleihen. Vielleicht schauen Sie da mal hinein.«
    »Gute Idee, danke. Falls Sie in Berlin bleiben - kommen Sie doch einfach mal auf einen Kaffee vorbei, wenn Sie Zeit haben.«
    »Ich werde dran denken.« Sie nickte ihm grinsend zu und lief die Treppe hinunter. Marius liebte Ironie, dann konnte er immer das sagen, was er wollte, und es war doch nur ein Spiel.
    Als sie zum Krankenhaus fuhr, blendete sie das Licht der schon winterlich tief stehenden Sonne. Sie nahm die Sonnenbrille aus dem Handschuhfach und legte ihr Handy in den Schoß. Vielleicht würde Jonas noch einmal anrufen.
    Als sie dann vor der Klinik ausstieg, hatte es nicht wieder geklingelt, aber schon der Gedanke an die Möglichkeit hatte ihr ein warmes Gefühl im Bauch gemacht.
    Im Fahrstuhl drückte sie den Knopf zum dritten Stock, als gerade noch eine mollige Krankenschwester hineinsprang, bevor sich die Tür schloss. Sie lachte, weil es so knapp war, und Paula lachte zurück.
    »Sie sind so fröhlich. Wo wollen Sie hin?«, fragte die Schwester.
    »Ich hole eine Freundin ab. Sie wird heute entlassen.«
    »Das ist ein Grund zur Freude«, sagte die Schwester, und ihr rundes Gesicht strahlte unter dem blau gefärbten Pony.
    Paula nickte. »Besonders an so einem schönen Herbsttag.«
    »Genießen Sie ihn. Morgen wird mit dem schönen Wetter Schluss sein. Es soll einen Kälteeinbruch
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