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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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Eisstopfen der Hitze das Vordringen.
    »Hör auf, dich zu sorgen!« sagte Lani und legte Carl eine Hand auf die Schulter. »Wir müssen jetzt abwarten, also können wir uns genausogut der Bilder erfreuen.«
    Es war wie eine Ironie des Schicksals, daß Lanis Worte von einem langen, anhaltenden Dröhnen untermalt wurden, das bis in die Zentrale drang und den Höhlenraum in deutlich spürbare Vibrationen versetzte. Da und dort lösten sich Gegenstände aus ihren Halterungen.
    »Ein Einsturz«, verkündete Virginia, und kurz darauf erschien eine Abbildung auf dem zentralen Schirm. Eine Masse von Eis und Schutt hatte die Wände eines Stollens eingedrückt und füllte ihn aus.
    »Verdammt!« sagte Carl mit gepreßter Stimme. »Wo?«
    »3C, wie die Projektion erkennen ließ.«
    »Druck?«
    »Alles dicht. Keine Einbrüche.« Virginia analysierte Carls Stimme und fand einen hohen Spannungsgrad. Wenn er bloß mehr auf Lani hören würde…
     
    Die grundlegende menschliche Reaktion auf Ereignisse ungeheurer Größe ist, sich niederzukauern.
    Virginia hatte dies in den letzten Tagen vor dem Perihel beobachtet. Ihre Maschinen durchstreiften das Labyrinth der Stollen auf der Suche nach Lecks und gefährlichen Wärmestaus. Selten trafen sie Personen an. Selbst der Park lag jetzt verlassen, das Rad stand still.
    Die Leute taten ihre Arbeit, leisteten ihren Schichtdienst und verkrochen sich mit ein paar engen Vertrauten, um über Video das Chaos draußen zu verfolgen. Jeffers hatte eine neuartige leichte Röhre entwickelt, die von einer tief im Eis vergrabenen Kamera ausgefahren werden konnte und das Risiko verminderte, aber immer wieder öffneten sich unter dem Hochdruck plötzlicher Veränderungen im Aggregatzustand Öffnungen, aus denen Gasfontänen schossen, vermischt mit Schutt, Staub und Gesteinsbrocken, die viele von Virginias Beobachtungsstationen beschädigten oder verschütteten.
    Ein kleines Stück Erinnerung reservierte sie für ihr Arbeitszimmer. Dort saß sie inmitten summender Geräte, fühlte die ermutigende Festigkeit eines Stuhles, die blinkenden Lichtsignale von Kontrolleuchten auf den Konsolen. Ich wünschte, ich könnte genug Zeit einsparen, um schwimmen zu gehen, dachte sie. Auch ich fühle meine Spannungen…
    Als Art, überlegte sie, war der Homo sapiens niemals wirklich über die Stammesgrenzen hinausgelangt. Die Geschichte der letzten hunderttausend Jahre hatte gezeigt, wie geschickt er sich größeren Anforderungen anpassen konnte. Unter dem Druck der Notwendigkeit schloß er sich zu größeren Verbänden zusammen und bewohnte Städte, Großstädte und bildete Nationen. Aber seine persönliche Wärme und seine aufopfernden Gefühle galten nach wie vor einem engen Kreis von Freunden und Verwandten, der sicherlich nicht größer war als in der Steinzeit. Er war bereit, für die Erhaltung der Familie, der Sippe, des Stammes zu sterben.
    So war es erklärlich, daß die Menschen vor einem Hintergrund immer häufigerer Erschütterungen, rumorender Geräusche einbrechender Höhlen und dem unheilverkündenden Knirschen und Ächzen von Spannungen im Eis im Inneren des Kometenkerns Zuflucht suchten. Nicht aus Solidarität, sondern um die körperliche Nähe und den Trost von Mitmenschen zu finden, seien sie Arcisten, Astronauten, Hawaiianer oder gar Symbionteh der einheimischen Flora. In den Stunden intensivster Endzeiterwartung zog es die Menschen zueinander.
    Mit Ausnahme einer einsamen Gestalt, die selten die Zentrale verließ.
    »Saul«, sagte sie zu dieser Gestalt, als ein bräunlicher Gas- und Schlammgeysir aus der Oberfläche spritzte und Lichtreflexe über das vertraute, tief zerfurchte Antlitz warf. Er hatte lange vor den Videoübertragungen ausgeharrt, doch schienen seine Gedanken anderswo zu sein, weit entfernt. Er hielt einen kleinen Stein in der Hand, den er mit den Fingern hin und her rollte. »Saul?«
    »Ah – ach, ja?« Er blickte von den Stein auf und wie suchend umher.
    »Ich bin sicher, du könntest die Übertragung auch anderswo sehen.«
    Er hob eine Schulter. »Der Park ist geschlossen. In der Krankenstation werde ich nicht benötigt. Es gibt keinen anderen Ort, wo ich gern wäre.«
    »Carl und Lani würden dich sicherlich willkommen heißen. Sie sind wach und verfolgen…«
    Er winkte ab. »Nein, die möchte ich nicht stören. Ich mag mich nirgendwo dazwischendrängen, wo ich nur ein fünftes Rad bin.«
    »Du machst dir Gedanken wegen dieses alten Steins«, sagte sie, um das Thema zu wechseln.
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