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Im Herzen der Zorn (German Edition)

Im Herzen der Zorn (German Edition)

Titel: Im Herzen der Zorn (German Edition)
Autoren: Elisabeth Miles
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mit rußigen Fingern um die Augen gefahren.
    Em trat zurück, ließ ihn durch das Fenster einsteigen, machte aber keine Anstalten, ihm zu helfen. Ihn in ihrem Zimmer zu haben, verursachte ihr ein Gefühl der Verletzlichkeit, des Ausgeliefertseins. »Wo bist du heute Nacht hin?«, flüsterte sie, ohne ihn überhaupt zu fragen, was er von ihr wollte.
    Er antwortete nicht sofort. Em sah zu, wie er einen Moment lang vor dem Fenster auf und ab ging, bevor es aus ihm herausplatzte: »Weißt du noch, als ich dir gesagt hab, du sollst dich von mir fernhalten?«
    Em nickte, erschrocken, dass er so verstört war und so vehement auf sie einredete. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihn ins Haus zu lassen, in ihr Zimmer. Er räusperte sich. »Ich hab das zu dir gesagt, weil ich dich gernhab. Ich wollte nicht, dass dir etwas zustößt. Weil ich gefährlich bin. Ich … ich bringe Unglück.«
    Sie hatte sich immer noch nicht hingesetzt. Sie zog am Saum ihres T-Shirts, versuchte, sich besser zu bedecken. Sie wartete darauf, dass er weitersprach.
    »Schon mein ganzes Leben lang werde ich vom Unglück verfolgt – als wär ich verhext oder so«, fuhr Crow fort. Seine Knöchel wurden ganz weiß, als er mit den Händen die Kante ihres Schreibtisches umklammerte. Sie hätte am liebsten die Hand ausgestreckt, ihn berührt, ihm über die Schultern gestrichen. Aber sie verkniff es sich. »Ich bin scheinbar immer in der Nähe, wenn etwas Furchtbares passiert. Und das Schlimmste daran ist, ich spüre es. Im Voraus. Ich weiß, das hört sich verrückt an, aber es stimmt. Es ist, als wüsste ich vorher, wenn irgendwas Schreckliches auf uns zukommt.«
    »Du hast also gewusst, dass heute Nacht etwas passiert?«, fragte Em mit belegter Stimme.
    »Ich weiß, dass es noch kommt«, antwortete Crow und nickte ernst. »Das war erst das Vorprogramm.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Em, der es vor Angst eiskalt den Rücken hinunterlief. »Was kommt denn als Nächstes?«
    »So funktioniert das nicht«, antwortete er. »Ich hab nie eine klare Vorstellung. Ich … ich spüre es bloß. Mit dir wird irgendwas Schlimmes passieren. Mit dir passiert schon jetzt etwas.«
    Sie schwieg. Sie wusste, dass Crow recht hatte. Sie wusste es schon eine ganze Weile.
    »Du musst mich dir helfen lassen«, fuhr Crow fort. Seine Stimme schwoll an und er machte einen Schritt auf sie zu. Sein Körper strahlte Hitze ab. »Ich hab versucht, was aus Drea herauszubekommen, und sie hat mir etwas erzählt, das … ich nicht ganz verstanden habe. Tu ich immer noch nicht. Aber ich weiß, dass sie deshalb so versessen auf die Idee mit dem Feuer war, auf diese Geisteraustreibung, die sie heute Nacht vorhatte.«
    »Geisteraustreibung? Was meinst du damit?« Ems Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. Einen Moment lang antwortete Crow nicht und Em fragte lauter: »Was hat sie dir erzählt, Crow?«
    Er seufzte und ließ sich auf ihr Bett sinken. »Sie hat gesagt, du müsstest gerettet werden. Sie dachte, sie würde das Richtige tun. Aber sie hatte nicht vor, dich umzubringen. Das hat sie nie gewollt …«
    Tränen begannen, ihr in den Augen zu brennen. »Crow, wovon redest du da?« Sie setzte sich neben ihn, hauptsächlich, weil sie nicht mehr die Kraft hatte, noch länger zu stehen.
    Er seufzte wieder, sah hinunter auf den Teppich. »Ihr zwei habt doch nach einem Verbannungsritual gesucht, aber so einfach war die Sache nicht. Sie hat dir nicht die ganze Wahrheit gesagt.«
    »Also hat sie heute Abend gar nicht versucht, die Furien zu töten?«, fragte Em unsicher. Crow schüttelte den Kopf und mied ihren Blick. Em wurde immer ungeduldiger. »Wenn sie nicht die Furien aus Ascension vertreiben wollte, wem galt denn dann die Sache mit der Geisteraustreibung?« Aber schon als sie die Frage stellte, begann der Gedanke den Rand ihres Bewusstseins zu streifen. Sie musste daran denken, wie sie auf Ty losgegangen und gegen den Spiegel geprallt war …
    »Dir.« Das Wort kam ganz sanft aus Crows Mund. Wie Schnee. Wie tödlicher, alles begrabender, lawinenartiger Schnee. »Drea sagte, sie würde versuchen, es aus dir auszutreiben.«
    »Was aus mir austreiben?«, fragte Em, obwohl die Antwort schon da war, unmöglich zu verleugnen, wie Eiterbeulen auf ihrer makellosen Haut. Sie hatte die Samenkörner geschluckt. Sie hatte Tys Ankündigung gehört: Sie werden dich für immer an uns binden. Vor allem spürte sie die Finsternis und den Hass in ihrem Inneren. Sie wusste, was Crow meinte. Aber er
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