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Im Herzen der Zorn (German Edition)

Im Herzen der Zorn (German Edition)

Titel: Im Herzen der Zorn (German Edition)
Autoren: Elisabeth Miles
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rückwärts.
    »Hier drüben bin ich«, glaubte sie Ty flüstern zu hören. Doch als sie hinsah, war da nichts als Dunst. Em bückte sich und hob eine der Spiegelscherben auf. Sie hielt sie vor sich, als Waffe.
    »Drea!«, rief sie. »Hilf mir!«
    Aber entweder hörte Drea sie nicht oder sie hatte beschlossen, sie zu ignorieren. Em sah sie stattdessen auf dem Turnhallenboden hocken, ohne das sich rasch verbreitende Feuer überhaupt wahrzunehmen, und verschiedene Gegenstände in einem Kreis auslegen. Als Em sich vorbeugte, um erkennen zu können, was es war, wurde sie von hinten geschubst. Sie stolperte vorwärts und landete, das Gesicht nach unten, auf dem Fußboden. Ihr blieb komplett die Luft weg.
    Sie setzte die Hände auf, schob sich hoch und rollte sich auf den Rücken. Es gab keine Verschnaufpause. Ty stand über ihr und drückte Ems Brust mit einem ihrer hochhackig beschuhten Füße nach unten. Sie beugte sich zu ihr herab und flüsterte ihr ins Ohr: »Jetzt geht es los. Es wird funktionieren.«
    »Drea …«, wiederholte Em mit ersticktem Tonfall.
    »Ich hab’s gleich, Em«, erwiderte Drea eindringlich. »Halt durch. Das hier wird dich retten. Versprochen.«
    Em holte aus, benutzte die Spiegelscherbe als Waffe und schlitzte eine kleine Wunde in Tys Bein. Sie rangen beide nach Luft, während ein Streifen Blut aus dem Schnitt quoll. Ty blickte zuerst nach unten, bleich und plötzlich erschrocken, und anschließend Em in die Augen. Es war das erste Mal, dass Em sie irgendwie anders als völlig gefasst erlebte. Sie nutzte die Gelegenheit und wand sich unter Tys Gewicht heraus.
    Und dann – schtschscht – flackerte Ty plötzlich wie eine verlöschende Kerzenflamme und löste sich in eine kleine Rauchfahne auf. Da, wo ihre langen Beine gewesen waren, hinterließ sie eine Spur weißen Dunstes. Ihre Stimme, die daraufhin durch die Finsternis klang, war wütend und trotzig: »Sei vorsichtig, Em. Pass auf, dass du dich nicht verbrennst.« Anschließend Stille.
    »Komm schon, Drea«, keuchte Em. »Wir müssen hier raus.«
    Drea schüttelte den Kopf. »Erst wenn wir das Ritual beendet haben.« Em hatte Drea in den vergangenen Wochen böse erlebt, wütend und entschlossen. Traurig. Zynisch und herablassend natürlich. Aber niemals so. Niemals so besessen, so sehr auf eine Sache fixiert. Es beschlich sie das Gefühl, dass Drea, sogar wenn sie selbst in Flammen stünde, dahocken und sie mit diesen großen eiskalten Augen anblicken würde.
    Em quälte sich in eine halb sitzende Position und begann zu sprechen. Ihre Stimme war vor Anstrengung und von dem vielen Rauch ganz rau.
    »Die Turnhalle brennt, Drea!«, hustete sie. Einige Mitschüler drängten an ihr vorbei, warfen sie fast wieder um.
    »Nein, Em. Es funktioniert, siehst du das nicht?« Drea zeigte in die Halle. »Die anderen – sie sind schon verschwunden, das Feuer hat sie verjagt. Jetzt bist nur noch du übrig.«
    »Die anderen?«, fragte Em erstickt. »Meinst du etwa die anderen Schüler? Unsere Freunde?«
    Drea lief jetzt im Kreis um Em herum und hielt dabei etwas in der Hand. In der Dunkelheit und all dem Rauch war es schwer zu erkennen, aber Em sah, dass es ein Einmachglas war und dass irgendetwas herausspritzte. »Bald bist du wieder du selbst«, sagte Drea. »Du wirst sehen. Es funktioniert.«
    Em atmete noch einmal keuchend ein. Der Rauch schien ihr die Kehle zuzuschnüren, es war, als wickelte ihr jemand Klebeband um den Brustkorb.
    Und dann roch sie es. Den süßlich-öligen Geruch von Benzin.
    Drea war dabei, Benzin um sie herum zu verteilen.
    Die Erkenntnis blitzte in ihr auf wie ein Leuchtsignal.
    »Drea, stopp! Stopp!« Sie hörte sich schreien, während sie von Drea wegrobbte, die immer näher kam. Sie schaffte es, auf ein Knie zu kommen, schrie noch immer: »Nein! Drea, nein! Bleib weg von mir!«
    Sie sah, dass Dreas Lippen sich bewegten. Etwas sagten. Aber sie konnte nichts hören – als wäre Drea auf stumm geschaltet. Tatsächlich schien die ganze Welt in Schweigen versunken. Em atmete Rauch ein und hatte dabei gleichzeitig das Gefühl, ihr Inneres wäre ebenfalls voller Rauch.
    Gleich würde sie bei lebendigem Leib verbrannt werden.
    Und dann machte sie einen Satz, mit dem letzten bisschen ihrer Kraft, rutschte beinahe auf den Knien über den nassen Boden und hechtete auf Drea zu. Sie musste sie dazu bringen, mit ihr hier zu verschwinden, wenn sie beide irgendwie überleben wollten.
    Die anderen schrien, rannten aus dem Gebäude, warfen auf
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