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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman
Autoren: Norah Sanders
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in der Ruine eingeschlossen?
    Ein grollendes Tosen erfüllte die vibrierende Luft. Die Erde bebte noch immer. Gelähmt vor Entsetzen beobachtete Shannon, wie die Straße sich hob und senkte wie die Wogen eines Ozeans. In der Ferne konnte sie eine Kirchenglocke läuten hören, dann eine zweite und eine dritte. Das Totengeläut für eine sterbende Stadt! Das Dröhnen der Glocken wurde übertönt vom hellen Klang von zerbrechendem Porzellan und Glas hinter ihr. Offenbar wurden die Teller und die Gläser vom Tisch geschleudert.
    Das ganze Hotel schwankte wie ein Schiff im Sturm, knarrte und klirrte. Geschlossene Türen barsten mit einem trockenen Knall. Der Kristalllüster über dem Bett stürzte ab. Das Bücherregal kippte um, und die Bücher verschwanden unter einem Haufen von zerplatztem Deckenputz.
    Josh packte sie am Arm. Seine Haare waren zerrauft, voller Staub und Mörtel. Er blutete aus einer Wunde an der Stirn. »Das Hotel hält dem Beben vielleicht nicht mehr lange stand. Die Wände sind gerissen. Wenn das Dach einstürzt, reißt es alle Stockwerke mit.« Seine Stimme klang durch das heftige Schütteln verzerrt. Hustend drückte er Shannon einen Haufen Kleidung in die Hand: Khakis, Pullover, Wanderstiefel. Sie hatte für einen Ausflug mit ihren Jungs in den Sequoiawald gepackt. »Wenn das Hotel abbrennt, haben wir hier oben keine Chance. Wir müssen so schnell wie möglich raus.«
    Dreißig Sekunden.
    Im Licht der Morgendämmerung sahen sie es beide, über die Dächer hinweg und durch die Staubwolken hindurch! Wie von einer unterirdischen Woge aus Stein und Stahl, mit einer Gischt aus berstendem Holz und Glas, wurde der Tyrell Tower hochgehoben. Dann sank er zurück auf sein Fundament. Die Säulen zersprangen mit einem Geräusch wie Kanonendonner. Mit einem dumpfen Dröhnen stürzte die Kuppel ein. Mit Wucht durchschlugen die Trümmer das nächste Stockwerk, dann das übernächste. Der Tyrell Tower stürzte ein! Dabei kippte er über die Straße hinweg zur Seite. Die Spitze des Turms krachte in die Seite des Brandon Building und riss es mit. Trümmerwolken wurden emporgeschleudert. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch den wirbelnden Staub.
    Vierzig Sekunden.
    Wie Josh stieg Shannon in die Khakis und zog sich den Pullover über. Als sie in die Wanderstiefel schlüpfte, zerbarst hinter ihr die Fensterscheibe. Sie wurde zu Boden geschleudert. Glassplitter regneten auf sie herab und blieben in ihrem Haar hängen. Blut rann ihr über das Gesicht.
    Josh packte sie und zog sie hoch. »Wir müssen hier raus!«
    Mit einem Knirschen schoss ein Riss über die Zimmerdecke und verästelte sich. Gleich würde der Stuck von der Decke herabstürzen! Ein dumpfes Dröhnen ließ sie erschrocken zusammenzucken. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. War in Ronans Kinderzimmer die Decke eingestürzt?
    »Ronan!«, schrie sie panisch. »Ronaaan!«
    Die Wucht des Bebens hatte Charlton von ihr fortgerissen, und die Flüchtenden hatten sie getrennt. Gelähmt vor Entsetzen sah Caitlin sich in dem Saal um, in dem die Lichter erloschen waren. Im Glühen der Morgendämmerung, das die Glaskuppel über ihr aufgleißen ließ, konnte sie ihn nirgendwo sehen.
    Und Shannon? Sie war nicht gekommen. Caitlins Herz fühlte sich an wie Eis. Sie war allein inmitten des Chaos.
    Fünfzig Sekunden.
    Die panischen Schreie gingen in dem bedrohlichen Klappern und Rasseln der Kuppel unter. Die Luft vibrierte. Wie lange hielten Stahl und Glas dem Beben noch stand?
    Die Palmenkübel waren bei den ersten Stößen umgestürzt. Die Banketttische waren zusammengebrochen, Teller und Gläser zerschellt. Die Kerzen hatten die Tischtücher in Brand gesteckt. Überall schlugen Flammen hoch und entzündeten halb geleerte Whiskeygläser, Servietten mit Champagnerflecken und Menükarten, die mit Konfetti übersät waren.
    Einige Schritte entfernt zog Colin seinen Frack aus und schlug damit auf ein Feuer ein. Sherrie half ihm mutig mit ihrer Pelzstola. Der Gentleman, der neben ihr und Colin gesessen hatte, war tot. Seine Augen starrten hinauf zur Kuppel, in der sich das feurige Licht brach.
    Ein lautes Krachen übertönte die schrillen Schreie. Erschrocken blickte Caitlin nach oben. Nein, nicht das! Eine Säule oder ein Sims der Fassade oberhalb des Garden Court war durch die Erschütterungen herausgebrochen und auf die Kuppel gestürzt, die dem Beben immer noch standhielt. Aber wie lange noch? Durch das matte Glas konnte Caitlin die Fassade über ihr nur schemenhaft erkennen
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