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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman
Autoren: Norah Sanders
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Inszenierung einer glücklichen Ehe? Die Rolle der ergebenen Frau an seiner Seite? Der Mutter seines Sohnes und Erben? Der First Lady eines gewaltigen Finanzimperiums, das sich von Australien über Südafrika, Hongkong und Hawaii bis nach San Francisco erstreckte?
    Langsam atmete sie aus. Ein zweites Mal würde sie sich der Ehe vermutlich nicht entziehen können, wie vor vier Jahren, als sie einfach ihre Koffer gepackt hatte. Auf der Flucht vor gesellschaftlichen Zwängen und einem Mann, den sie nicht liebte, war sie um die ganze Welt gereist. Nur um bei ihrer Rückkehr festzustellen, dass die Menschen, die sie ins Exil getrieben hatten, noch immer dieselben waren. Sie begriffen nicht, welches Leid sie über andere brachten, die nicht so waren wie sie, und welche Schuld sie auf sich luden, weil sie ohne Einsicht und Reue handelten.
    »Nob Hill«, rief der Schaffner von der hinteren Plattform. »Ladies and Gentlemen, bitte festhalten! Es geht abwärts!«
    Mit kreischenden Bremsen rumpelte das Cable Car die steile Straße hinunter zum Financial District. Ein Fahrradfahrer überholte mit wehender Jacke. Ein Zeitungsjunge verkaufte den San Francisco Examiner durch die offenen Fenster. Ein Straßenmusiker sprang auf das Trittbrett des Wagens. Seine sehnsuchtsvollen Melodien versetzten Shannon in eine träumerische Stimmung, aus der sie schließlich der Schaffner riss: »Financial District, Tyrell Tower. Umsteigen zu den Linien Sacramento, Sutter und Market Street.«
    An der nächsten Kreuzung, California Street Ecke Sansome, ragte der Sitz des Familienunternehmens in den Himmel. T YREL L & S ONS , A LASKA T RADING C OMPANY stand auf dem Messingschild über dem Portal. Shannon blickte an der fünfzehnstöckigen Prachtfassade hinauf zur Kuppel. Der Tyrell Tower war ein Symbol des Reichtums und der Macht von Caitlin Tyrell, der Gründerin von Tyrell & Sons. Shannon lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, lockerte die verspannten Schultern und schloss die Augen.
    Am Heiligabend, dem Todestag ihres Vaters, war sie von ihrer Großmutter Caitlin ins Arbeitszimmer beordert worden. Der Raum im Empire-Stil mit dem Marmorkamin und den hohen Fenstern mit Blick über die Bay wirkte ausgesprochen herrschaftlich. Die Porträts an den Wänden sollten den Eindruck erwecken, bei der Sammlung handele es sich um eine ehrwürdige Ahnengalerie. Die meisten Geschäftspartner von Caitlin O’Leary Tyrell wussten jedoch, dass die Firmengründerin während der Großen Hungersnot aus Irland geflohen war, weil ihrem Vater Rory O’Leary die Kartoffelernte auf dem Feld verfault war. Caitlin wäre verhungert, wenn sie nicht verzweifelt genug gewesen wäre, zu stehlen und zu betrügen, um die Passage nach New York bezahlen zu können.
    Caitlin erhob sich nicht, um Shannon zu begrüßen, sondern winkte sie zu sich heran. Ihr Gesicht, trotz ihrer vierundsiebzig Jahre noch erstaunlich glatt, war wie aus Stein gemeißelt. Nur die zusammengepressten Lippen und der matte Blick ihrer Augen verrieten die Trauer über den Tod ihres ältesten Sohnes an diesem Morgen.
    »Sie wollten mich sprechen, Ma’am?« Shannon blieb vor dem Schreibtisch stehen.
    Caitlin deutete auf einen Stuhl. »Setz dich.«
    Shannon schlug die Beine übereinander.
    Ihre Großmutter runzelte unwillig die Stirn. »Dein Vater ist tot. Mit Sean habe ich heute den zweiten Sohn nach Kevin verloren. Nur Reámon ist mir geblieben.«
    Die beiden Frauen schwiegen einen Augenblick, aber auch das stille Gedenken an den verstorbenen Sohn und Vater brachte sie einander nicht näher. Caitlin sah schließlich wieder auf. »Du hast dich verändert, Shannon. Nicht nur äußerlich … deine Haare, dein Stil, dich zu kleiden, deine Haltung. Du bist reifer … abgeklärter … selbstbewusster.«
    Wortlos zog Shannon ein Etui hervor, steckte eine Zigarette in den schwarzen Fume-Cigarette, den sie in Paris gekauft hatte, und riss ein Streichholz an. Sie nahm den ersten Zug.
    Unwillig presste Caitlin die Lippen aufeinander. »Du weißt genau, dass ich es nicht mag, wenn du rauchst, Shannon.«
    Shannon blies den Rauch in Richtung der Decke.
    »Du hast dich verändert.«
    Shannon lachte leise.
    »Kaffee?«
    »Nein, danke.«
    »Jack Daniel’s?«
    Shannon schüttelte den Kopf. »Ich denke, wir haben schon genug Trinker in der Familie. Großvater Geoffrey starb nach endlosen Affären ohne einen Cent in der Tasche. Er hat sich zu Tode getrunken. Und Onkel Reámon hält das Andenken seines Vaters in Ehren. Mit einem Glas
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