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Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes
Autoren: Brown Sandra
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hingen ihren eigenen Gedanken nach. Burke überlegte, wie er sich in den ersten Sekunden nach der Urteilsverkündung verhalten sollte.
    Daß es zu einer Gerichtsverhandlung kommen würde, hatten sie von Anfang an gewußt. Pinkie Duvall würde nicht im Traum daran denken, einen Deal mit der Anklagebehörde anzustreben, wenn er den Freispruch für seinen Mandanten schon so gut wie in der Tasche zu haben glaubte. Und Burke hatte ebenfalls gewußt, wie dieser Prozeß ausgehen würde. Jetzt, wo der Augenblick der Wahrheit bevorstand – falls seine schlimmen Vorahnungen sich bestätigten –, machte er sich darauf gefaßt, gegen die Wut anzukämpfen, die er empfinden würde, wenn er sah, wie Bardo das Gerichtsgebäude als freier Mann verließ.
    Gott behüte ihn davor, diesen Dreckskerl mit bloßen Händen zu erwürgen.
    Eine große, brummende Stubenfliege, die nicht in diese Jahreszeit
paßte und von Insektiziden high war, hatte sich irgendwie in den kleinen Raum im Gerichtsgebäude des Orleans Parish verirrt, in dem schon unzählige Anklagevertreter und Angeklagte angstvoll geschwitzt hatten, während sie auf den Spruch der Geschworenen gewartet hatten. Bei ihren verzweifelten Fluchtversuchen prallte die Fliege immer wieder mit einem selbstmörderischen kleinen Platsch! gegen die Fensterscheibe. Das arme Fliegenvieh wußte nicht, daß es verloren hatte. Es erkannte nicht, daß es sich mit seinen vergeblichen Versuchen, so tapfer sie auch waren, nur zum Narren machte.
    Burke unterdrückte ein selbstkritisches Auflachen. Daß er sich mit dem vergeblichen Bemühen einer Stubenfliege identifizieren konnte, bewies ihm, daß er auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt war.
    Als das Klopfen ertönte, wechselten Patout und er zuerst einen Blick, bevor sie zur Tür hinübersahen, die von der Gerichtsdienerin geöffnet wurde. Sie steckte den Kopf herein. »Die Geschworenen sind wieder im Saal.«
    Auf dem Weg zur Tür warf Patout einen Blick auf seine Uhr und murmelte: »Verdammt! Genau zehn Minuten.« Er sah zu Burke hinüber. »Wie hast du das erraten?«
    Aber Burke hörte nicht zu. Seine Aufmerksamkeit galt der offenen zweiflügeligen Tür des Gerichtssaales am Ende des Korridors. Prozeßbeobachter und Medienvertreter strömten durch das Portal, aufgeregt wie Kolosseumsbesucher im alten Rom bei der Aussicht darauf, daß ein paar Märtyrer von Löwen zerfleischt werden.
    Kevin Stuart – Ehemann, Familienvater, verdammt guter Cop und bester Freund – war einen Märtyrertod gestorben. Wie bei vielen Märtyrern im Lauf der Geschichte war sein Tod die Folge eines Verrats. Jemand, dem Kevin vertraut hatte, jemand, der auf seiner Seite hätte stehen und ihn unterstüzten sollen, war zum Verräter geworden. Ein anderer Cop hatte die Bösen gewarnt, daß die Guten unterwegs waren.

    Ein heimlicher Anruf von irgend jemandem aus ihrem Dezernat, und Kevin Stuarts Schicksal war besiegelt. Gewiß, er war im Dienst umgekommen, aber das machte ihn nicht weniger tot. Sein Tod war unnötig gewesen. Unnötig und blutig. Mit diesem Verfahren wurde lediglich ein Schlußstrich gezogen. Der Prozeß war nur eine teure und zeitraubende Übung, der eine zivilisierte Gesellschaft sich unterzog, um die Tatsache zu kaschieren, daß sie einen Dreckskerl laufenließ, nachdem er dem Leben eines anständigen Menschen ein Ende gesetzt hatte.
    Die Auswahl der Geschworenen hatte zwei Wochen gedauert. Der Staatsanwalt war von Anfang an vom Strafverteidiger, dem glanzvollen Pinkie Duvall, eingeschüchtert und ausgetrickst worden. Ohne auf energische Gegenwehr seitens der Anklagebehörde zu stoßen, hatte Duvall sämtliche Einspruchsmöglichkeiten genutzt, um die Geschworenenbank mit handverlesenen Leuten zu besetzen, die seinen Mandanten vermutlich begünstigen würden.
    Der Prozeß selbst hatte nur vier Tage gedauert. Aber seine Kürze stand in umgekehrtem Verhältnis zu dem Interesse der Öffentlichkeit an seinem Ausgang. Voraussagen hatte es reichlich gegeben.
    Am Morgen nach dem tödlichen Vorfall wurde der Polizeipräsident mit den Worten zitiert: »Jeder unserer Beamten fühlt diesen Verlust und ist persönlich betroffen. Kevin Stuart war im Kollegenkreis sehr beliebt und geachtet. Wir setzen alle uns zur Vergügung stehenden Mittel ein, um die genauen Umstände
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