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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
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die?«
    »Rate mal.«
    Andy steht auf, schön langsam. Er steckt die Hand in seine Jeans. Ich nehme an, er sucht die Schlüssel vom Todesmobil. »Willst du abhauen?«
    Ich schüttle den Kopf. »Wenn ihr gehen wollt, bitte. Ich haue nicht ab. Nie wieder.«
    »Aber die sind sechs.«
    »Es werden immer sechs sein.«
    Eddy sieht, dass wir rübergucken. Er und sein Schlägertrupp schälen sich aus den Autos.
    »He, Kameltreiber. Ich habe dich gesucht«, ruft Eddy, als sie über die Straße stolziert kommen. »Versteckst du dich, oder was? Du bist mir noch was schuldig, auch wenn du zehnmal von der Schule geflogen bist.«
    Ich rutsche vom Brunnenrand runter. »Lass mich in Ruhe, Harrison.«
    »Und wenn nicht?«, spottet Eddy. »Fängst du dann an zu heulen?«
    Andy und Marty stellen sich neben mich. Aber ich schaffe das auch alleine. Ich trete einen Schritt vor.
    »Sind das deine Kumpels?«, schnaubt Eddy. Er kickt lässig einen Stein in meine Richtung. »Wie geht’s deinem Papi? Gefallen ihm die Duschen im Knast? Vielleicht solltest du ihn mal mit deinem Freund Mr Bernstein bekannt machen.«
    Eddys Kumpels machen Kussgeräusche.
    »Das lässt du dir gefallen?«, fragt Eddy herausfordernd. »Schon die Hosen voll?« Er blickt Andy und Marty an. »Hat euch euer Süßer erzählt, dass sein Kopf schon mal in einer Kloschüssel gesteckt hat? Echt, der hat richtig Scheiße im Kopf.«
    Seine Kumpel lachen.
    Plötzlich spüre ich ein eigenartiges Kribbeln, eine unglaubliche Kraft. Ich kann das nicht richtig beschreiben. Ich weiß nur, dass ich keine Angst habe. Und ich bin nicht wütend. Nein, ich bin unheimlich ruhig. »Genau, Eddy, mein Kopf war in der Toilette«, sage ich. »Aber ich habe ihn da nicht reingesteckt. Das warst du. So was macht nur ein Scheißkerl wie du.« Ich blicke Eddy direkt in die Augen. »Und du wirst dich an diesen Tag erinnern, dein Leben lang. Du weißt, was du mir angetan hast. Und du weißt, was das aus dir macht.«
    Eddy wirft den Kopf zurück. »Was denn? Du denkst wohl, du bist was Besseres als ich? Du bist von derSchule geflogen. Dein Vater ist Doktor Tod. Dieser Gestank wird für immer an deinem Namen kleben. Bei mir geht’s jetzt erst richtig los. Ich gehe auf die Elite-Uni, wo schon mein Vater war. Oder ich fang gleich in unserer Firma an.«
    »Genau. Das kommt noch dazu. Egal, wie groß du rauskommst, du wirst niemals wissen, ob du es alleine geschafft hast oder durch die Hilfe deines Vaters. Das ist bestimmt ein blödes Gefühl. Du tust mir leid, Eddy.«
    »Was?«, spuckt er. »Wer tut hier wem leid?«
    »Ist einfach so.«
    »Pass bloß auf«, sagt Eddy. Seine Kumpel bilden einen lockeren Kreis um uns. Er hebt die Fäuste.
    »Na los«, sage ich. »Schlag mich zusammen. Was beweist das? Nichts. Außer, dass stimmt, was ich gesagt habe. Na los, Eddy, beweis, dass ich recht habe.«
    Eddy weiß nicht, was er tun soll. Als würde er einem Verrückten oder so gegenüberstehen. Er lässt die Fäuste fallen. »Arschloch«, sagt er. »Kommt, Jungs, diese Schlappschwänze sind es nicht wert.« Er geht zurück auf die andere Straßenseite und zeigt uns den Stinkefinger. Dann springen er und sein Trupp in die Autos und brausen mit gellenden Hupen los.
    »Viel Glück, Eddy«, murmele ich. »Du kannst es brauchen.«

36
    An einem Freitag, spät am Nachmittag, ist es endlich so weit. Mr Bhanjee ruft aus dem Gefängnis an. »Sie lassen Arman frei. Ich fahre ihn nach Hause.« Das FBI hat eine kurze Entschuldigung formuliert, genau wie bei dem Mann in Portland, der fälschlicherweise beschuldigt worden war, Mitglied von al-Qaida zu sein, und zwar allein aufgrund eines Viertel-Fingerabdrucks. Die Entschuldigung ist okay, aber mich interessiert nur Dad.
    Seine Freilassung wurde nicht an die große Glocke gehängt: »Damit die Privatsphäre seiner Familie geschützt bleibt«, sagen die Behörden.
    »Der eigentliche Grund«, sagt Mr Bhanjee, »ist aber, dass die Wahrheit sie sehr schlecht aussehen lässt. Solche unangenehmen Nachrichten geben die Behörden gerne freitags am späten Nachmittag bekannt. Da findet die Presse niemanden mehr für eine Stellungnahme und am Wochenende interessiert sich keiner dafür. Am Montag hat sich die Welt weitergedreht, und falls es irgendwelche kritischen Reaktionen gab, sind die bis dahin längst verhallt.«
    Ich wünschte, die Medien würden die Unschuld eines Menschen genauso laut verkünden wie seine vermeintliche Schuld. Ich muss allerdings zugeben, dass ich jetzt wirklich
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