Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Kopftuch trägt sie nur beim Beten und in der Moschee – was mir sehr recht ist, muss ich gestehen.
    »Was ist?«
    Moms Blicke wandern zur Decke, so wie immer, wenn was Aufregendes ansteht. Dad klopft auf das Polster neben sich. »Ich habe dich nicht nur zum Beten gerufen«, sagt er. Es nervt, dass er immer weiß, was ich denke. Weiß er auch, worüber ich mit Andy und Marty rede?
    Ich setze mich auf die Sofakante, nehme mir eine von den Papierservietten, die neben der Obstschale liegen, und wickele sie mir um die Finger.
    »Willst du es ihm sagen?«, fragt Dad.
    »Nein, nein, es war deine Idee.« Mom möchte immer, dass Dad gut aussieht.
    Er reibt mit dem Daumen an seinem Ring. »Ende September muss ich auf eine Konferenz nach Toronto, für vier Tage. Freitagnachmittag leite ich ein Seminar und Montagvormittag gibt es eine Führung durch das neue Labor dort, das mit der Sicherheitsstufe vier. Die Arbeitsgruppen am Wochenende kann ich mir abersparen.« Er blickt Mom an, als wüsste er nicht, was er als Nächstes sagen sollte.
    »Dad hat gesehen, dass Torontos Eishockeyclub   …«, hilft ihm Mom auf die Sprünge.
    »Ja, richtig, die Leafs«, sagt er, »die spielen am Freitagabend gegen die New York Islanders. Und Baseball gibt’s auch: Am Sonnabend spielen die Jays eine Doppelpartie gegen Boston.« Er holt tief Luft. »Ich kann uns über die Konferenz-Veranstalter für beide Termine Karten besorgen.«
    Ich beuge mich vor, meine Hände krallen sich in die Serviette.
» Uns?
Du kannst
uns
Karten besorgen?«
    »Nicht für uns
alle
«, Mom winkt ab. »Nur für dich und Dad. Mich kriegen da keine zehn Pferde hin.«
    Ich lächle. Wenn im Fernsehen Sport läuft, selbst wenn es sich um Endspiele handelt, verschwindet Mom und legt sich in die Badewanne oder schnappt sich ein Buch. Nur bei Golf macht sie eine Ausnahme. Den Scheiß kann sie stundenlang gucken. Das soll einer verstehen.
    »Wir würden Freitag früh von Rochester abfliegen und Montag am späten Nachmittag zurückkommen, inschallah«, sagt Dad. »Du würdest zwei Tage Schule versäumen, aber ich bin sicher, dass sich das regeln lässt.«
    Zwei Tage keine Schule? Hat jemand Dads Gehirn ausgetauscht?
    »Wir beide haben schon lange nicht mehr was Schönes zusammen gemacht«, fährt er fort. »Ich habe gedacht, so ein Vater-Sohn-Wochenende wäre mal was. Natürlich nur, wenn du das auch möchtest.«
    Klar möchte ich das – zwei Tage keine Schule und dafür Baseball und Eishockey. Aber diese Vater-Sohn-Kiste, die ist mir unheimlich. Mir reicht’s schon, wenn ich mit Dad alleine fernsehen muss. Da sitzen wir beide, jeder an einem Ende des Sofas, als hätten wir eine unsichtbare Mauer zwischen uns, als würden wir in zwei komplett verschiedenen Welten leben. Wenn Werbung kommt und wir eigentlich was sagen müssten, geht einer von uns pinkeln oder holt was zum Knabbern. Und das jetzt von Freitag bis Montag, nur er und ich   …
    Dad sieht, dass ich zögere. »Nun ja, deine Freunde   … ihr, ihr habt bestimmt schon was vor.«
    »Kann sein. Weiß nicht. Die sind ja gerade erst zurück.«
    Er holt tief Luft. »Verstehe.«
    Mom blickt mich scharf an: Dein Vater gibt sich Mühe.
    Ich weiß und ich bin ein Arsch und ich finde mich zum Kotzen. Aber ich kann’s nicht ändern. Vor der Sache mit Mary Louise Prescott war alles normal. Ich war gerne mit Dad zusammen. Er hat mit mir rumgealbert und ich habe gelacht. Selbst wenn ich Mist gebaut habe, konnten wir reden. Da war ich für ihn noch nicht eine einzige Enttäuschung.
    Dad blickt unsicher zur Terrassentür. Unser Grundstück grenzt an das Gelände des Golfclubs von Meadowvale. Die Ahornbäume glühen in der Abendsonne. »Zeit zum Beten«, sagt Dad leise. Seine Schultern sacken nach unten.
    Das halte ich nicht aus. »Dad«, höre ich mich sagen. »Also, wegen dem Wochenende – klar, warum nicht?«
    Er blickt mich an, als wäre er nicht sicher, ob er mich richtig verstanden hat. »Du willst mit?«
    Ich nicke. »Doch, schon. Klar. Mit Andy und Marty kann ich ja immer was machen.«
    Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Seine Brust schwillt. Er streckt die Finger.
    O Gott, er will mich doch nicht umarmen? Oder erwartet er, dass ich
ihn
umarme?
    Ich sehe Dad an, dass auch er nicht weiß, was er tun soll. Er räuspert sich, klatscht in die Hände und geht zu den Gebetsteppichen.
    Puh, das war knapp!

2
    Nach dem Beten wollen Andy, Marty und ich zum Eisladen. Wir fahren mit dem alten Toyota Camry von Andys Mutter, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher