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Im Dunkeln der Tod

Titel: Im Dunkeln der Tod
Autoren: Mari Jungstedt
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trotzdem attraktiv. Groß und kräftig – er hätte gern gewusst, wie stark sie war.
    Er sah, wie sie sich bückte und die Kleine aufhob. Plötzlich tauchte sie im oberen Geschoss auf, er konnte ihre Bewegungen zwischen den Zimmern nur ahnen. Durch die kalten Linsen des Fernglases folgte er ihren Schritten, jetzt bewegte sie sich wieder, sicher, um das Baby in sein Bettchen zu legen. Sie blieb eine Weile stehen und war mit irgendetwas beschäftigt. Dann ließ sie ihren Morgenrock sinken, und für einen Moment sah er ihren nackten Rücken, ehe sie aus seinem Sichtfeld verschwand. Sicher war sie unter die Dusche gegangen. Es war die perfekte Gelegenheit. Rasch überquerte er die Straße, öffnete das Tor und betrat ganz selbstverständlich das Grundstück. Die Haustür war nicht abgeschlossen. Fantastisch, sagte er, das kann wirklich nur auf dem Land passieren.
    Er schaute sich kurz vergewissernd um, dann öffnete er die Tür. Schnell und lautlos schlüpfte er ins Haus und landete in einer chaotischen Diele, voller wild durcheinanderliegender Kleidungsstücke, Schuhe und Handschuhe. Es duftete nach Kaffee und Toast. Tief in ihm erwachte eine Sehnsucht, die ihn für einige Sekunden verwirrte. Es kostete ihn Mühe, sich wieder in den Griff zu bekommen. Konzentrier dich, dachte er. Jetzt ging es nur noch um eins. Er schaute in die Küche. Dort lief leise das Radio, der mit Krümeln übersäte Tisch war nach dem Frühstück noch nicht abgeräumt worden. Er ging weiter ins Wohnzimmer, wo zwei breite Sofas einander gegenüberstanden, es gab einen offenen Kamin, einen Fernseher, Decken, Bücher und Zeitungen. Eine Obstschale und zwei Keramikleuchter mit heruntergebrannten Kerzen. Abermals stellte das Gefühl von vorhin sich ein, er drängte es zurück. Als er die Treppe hochstieg, hörte er im Badezimmer die Dusche rauschen. Die Frau sang. Er schlich zur angelehnten Tür. Das Badezimmer war groß, zwei nebeneinander angebrachte Waschbecken, ihnen gegenüber eine Toilette, eine große Badewanne und ganz hinten eine Dusche hinter einer Wand aus gefrostetem Glas. Der Körper der Frau war durch das Glas als Silhouette zu sehen. Ihre helle, klare Stimme hallte zwischen den Wänden wider. Ein weiteres Mal überkam ihn das Gefühl, seine Augen brannten. Plötzlich war er wütend auf sie, weil sie einfach nackt und schön dort stand und ganz unbeschwert sang. Sie hatte doch keine Ahnung, was um sie herum ablief. Was in ihm vor sich ging. Verdammte Kuh. Die Wut jagte ihm in die Stirn und trübte seinen Blick. Der würde er es zeigen. Er spannte die Klaviersaite zwischen den Fingern. Schloss einen Moment die Augen, um sich konzentrieren zu können, ehe er zum Angriff überging.
    Aber dann hörte er hinter sich ein leises Schnaufen und dann ein Schluchzen, das sich bald zum Weinen steigern würde. Die Frau schien nichts zu bemerken, sie sang, und die Dusche rauschte immer weiter.
    Er fuhr herum, schlich aus dem Badezimmer und in das Zimmer, aus dem die Geräusche gekommen waren. In einem dunklen Raum mit herabgelassener Jalousie stand ein Gitterbettchen, und darin lag die Kleine und weinte.
    Blitzschnell hob er das Kind hoch, wickelte es in seine Decke und lief die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
    Er hörte die Frau noch immer singen, als er die Haustür hinter sich zuzog.

NICHTSAHNEND GRIFF JOHAN zum Hörer und hörte nur eine hysterische Stimme, die schrie und weinte und eine Menge zusammenhanglose Wörter heraussprudelte. Er brauchte einige Sekunden, um zu erfassen, dass es Emma war und dass es um Elin ging. Als Johan mehrere Male die Wörter Elin und verschwunden gehört hatte, wurde ihm eiskalt.
    »Beruhige dich doch erst mal. Was ist also passiert?«
    »Ich … ich stand unter der Dusche«, schluchzte Emma. »Ich hatte Elin in ihr Bettchen gelegt, und als ich dann zu ihr kam, war sie verschwunden, Johan. Verschwunden.«
    »Aber hast du überall nachgesehen? Vielleicht hat sie auf irgendeine Weise aus dem Bett krabbeln können?«
    »Nein«, schrie Emma. »Nein!!!! Das hat sie nicht. Hörst du nicht, was ich sage? Sie ist verschwunden! Irgendwer muss sie mitgenommen haben!«
    Sie brach in herzzerreißendes Weinen aus, das Johans Nerven zu zerfetzen drohte. Er merkte, wie ihm selbst die Tränen kamen. Das konnte, durfte doch nicht wahr sein!
    Pia, die neben ihm saß, hatte jedes Wort gehört. Sie warf einen Blick auf die Wand, wo noch immer das Foto von Johan im Wagen vor Erik Mattsons Haus hing.
    Plötzlich war die Drohung sehr
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