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Im Dreieck des Drachen

Im Dreieck des Drachen

Titel: Im Dreieck des Drachen
Autoren: James Rollins
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Anscheinend blieb er ungerührt von der Lenkwaffe, die durch den Himmel auf sie zuraste. Inzwischen war ihr feuriges Schwanzende deutlich zu erkennen.
    Lisa ergriff Georges Hand. Er drückte ihr die Finger. »Keine Sorge«, flüsterte er plötzlich väterlich, den Blick nach oben gerichtet.
    Während sie gemeinsam hinüberschauten, schien die Rakete auf einmal an Ort und Stelle zu erstarren, im Himmel zu hängen, als wäre eine Ampel auf Rot umgesprungen. Mit offenem Mund sah Lisa hin. Das war doch gewiss eine optische Täuschung …?
    Eine Sekunde verstrich … dann eine weitere, und noch eine.
    Nach wie vor wollte die Rakete sich nicht bewegen.
    Robert lenkte ihre Aufmerksamkeit von dem merkwürdigen Himmel ab. Er hatte sich über die stählerne Reling gebeugt und schaute in die Tiefe. Da wandte er sich auf einmal ihnen zu, nahm die Ohrhörer heraus und fragte: »Leute … wo ist der Ozean geblieben?«
    »Was meinst du damit?« Lisa und George traten zu dem jungen Meeresbiologen. Sie starrte über die Reling und keuchte auf.
    Unter dem Kiel lag kein Wasser mehr. Das Schiff trieb mitten in der Luft und wiegte sich sanft auf unsichtbaren Wogen.
    Lisa beugte sich vor. Weit unten erstrahlte ein helles Licht. Sie schaute wieder hoch, drehte sich um die eigene Achse. In einem Umkreis von einhundert Metern war das Meer verschwunden. Jenseits dieses Kreises war der Ozean so normal wie an jedem anderen Tag. Es war, als würde die Deep Fathom über einem tiefen Schacht im Meer treiben.
    Nur dass am Grund dieses Schachts eine Sonne strahlte.
    »Seht euch den Himmel an!«, rief George.
    Lisa riss den Blick von den Wundern unter ihr los und sah etwas noch Erstaunlicheres über sich. Die kleine Rakete, die eben noch reglos im Himmel gehangen hatte, glitt langsam auf der eigenen Spur zurück, als wollte sie nicht mehr weiter.
    »Was ist denn hier los?«, fragte sie.
    12.02 Uhr
    Jack hatte die Arme vor die Sichtfenster seines Helms geschlagen und schmiegte sich gegen das Licht, den Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet. Die Energie, die nur Zentimeter hinter seinem Rücken wogte, ließ seine gepanzerte Hülle vibrieren und strömte über seine Haut, dass sich die feinen Härchen aufrichteten. Er spürte sie bis auf die Knochen. Mein Gott …!
    Bevor er jedoch in der gleißenden Helligkeit völlig den Verstand verloren hätte, verspürte er eine Änderung im Timbre der Energie. Das Licht wurde weicher.
    Er senkte den Arm.
    Statt zu blenden, war die Strahlung von der Säule in dem dunklen Wasser zu einer silbrigen Flut geworden. Die Berge, die Forschungsstation, die Lavasäulen, alles ragte wie ein silbern eingerahmtes Relief hervor und wurde in dem merkwürdigen Licht selbst zum Spiegel.
    Eine Stimme in der Luft flüsterte hoffnungslos, voller Furcht: »Jack …«
    Während er so vor sich hin starrte und wusste, dass der Tod nur Augenblicke entfernt lag, entdeckte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er wandte sich um und suchte durch die Helmfenster nach deren Ursache.
    Dann sah er sie!
    Gespiegelt in den silbrigen Oberflächen der nahe gelegenen Meeresfelsen knieten Männer und Frauen mit erhobenen Armen auf dem Boden. Dahinter sammelten sich weitere Scharen von Gestalten in Roben und Mänteln. Einige trugen kunstvollen Kopfschmuck aus Federn und Edelsteinen, andere hatten Platten mit Früchten dabei oder führten Schafe und Schweine an Lederriemen mit sich.
    »Mein Gott«, flüsterte er.
    Er sah sich suchend um und entdeckte auf allen Spiegelflächen Ähnliches: verzerrte Gestalten, die über die geschwungene Hülle der Meeresbasis hinwegtraten, gebrochene Abbilder auf der eingestürzten Mauer aus Lavasäulen. Auf einem Felsbrocken in der Nähe erkannte er sogar die Spiegelung eines großen, knienden Mannes, der das Gesicht auf den Boden gedrückt hatte.
    Es war, als wären die silbrigen Fassaden magische Spiegel in eine andere Welt geworden.
    »Jack, gib Antwort, wenn du da draußen bist!« Das war Karen.
    Seine Furcht schwand, und seine Stimme war voller Verwunderung. »Siehst du sie auch?«
    Die kniende Gestalt hob das Gesicht. Der Mann war bärtig, mit stechendem Blick und kräftigen Gliedmaßen. Er stand auf und trat von dem gespiegelten Felsbrocken weg.
    Nach Luft schnappend wich Jack zurück und stieß gegen die Säule hinter sich. Von allen Seiten verließen die Menschen die spiegelnden Oberflächen und kamen in einer Prozession auf ihn zu. Er vernahm jetzt ferne Stimmen, widerhallenden Gesang, Gebete.
    Die Gestalt
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