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Im Dreieck des Drachen

Im Dreieck des Drachen

Titel: Im Dreieck des Drachen
Autoren: James Rollins
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offenbar wieder in ihre Lumpen und ihre qualvollen Träume zurückzog. Sie entdeckte, dass der Welpe ihren Blick erwiderte. Als sich die Zugtüren schlossen, hörte sie die Obdachlose murmeln: »Brownie. Er weiß Bescheid. Er weiß, dass wir alle heute sterben müssen.«
    13.55 Uhr, PST (11.55 Uhr Ortszeit)
Aleuten, Alaska
    Am Morgen der Sonnenfinsternis arbeitete sich Jimmy Pomautuk geübt und vorsichtig den vereisten Hang hinauf. Sein Hund Nanook trabte ihm ein paar Schritt voraus. Der große Malamute kannte den Weg gut, doch hielt er, stets der getreue Gefährte, nach wie vor ein wachsames Auge auf seinen Herrn gerichtet.
    Hinter dem alten Hund führte Jimmy drei englische Touristen – zwei Männer und eine Frau – auf den Gipfel des Glacial Point oberhalb von Fox Island. Die Aussicht von dort oben war unglaublich. Seine Inuit-Vorfahren waren dorthin gekommen, um den großen Orca anzubeten, hölzerne Totems zu errichten und Opfersteine über die steilen Felsen ins Meer zu werfen. Sein Urgroßvater war der Erste gewesen, der ihn zu diesem heiligen Ort mitgenommen hatte. Fast dreißig Jahre war das jetzt her. Damals war er noch ein Knabe gewesen.
    Heutzutage war der Ort auf den meisten Karten verzeichnet, und die Schlauchboote der verschiedenen Kreuzfahrtlinien luden ihre menschliche Fracht an den Kais des zauberhaften Port Royson ab.
    Neben dem malerischen Hafen galten die Felsen von Glacial Point als die andere Hauptattraktion der Insel. An einem klaren Tag wie heute konnte man die gesamte Inselkette der Aleuten überblicken, wie sie sich in einem unendlichen Bogen in die Ferne erstreckte. Dieser Anblick war Jimmys Vorfahren unbezahlbar gewesen; die moderne Welt hatte dafür jedoch vierzig Dollar pro Kopf in der Nebensaison und sechzig Dollar während der warmen Monate zu entrichten.
    »Wie weit ist das denn noch, verdammte Scheiße?«, fragte eine Stimme hinter ihm. »Ich friere mir hier noch den Arsch ab!«
    Jimmy wandte sich um. Er hatte die drei darauf aufmerksam gemacht, dass es immer kälter werden würde, je weiter sie sich dem Gipfel näherten. Die Gruppe war mit gleichartigen Overalls, Handschuhen und Stiefeln von Eddie Bauer ausgestattet. Kein einziger Faden ihrer teuren Kleidung zeigte auch nur eine Gebrauchsspur. Hinten am Parka der Frau baumelte sogar noch ein Preisschild.
    Jimmy zeigte mit dem Arm in die Richtung, in die sein Hund gerade verschwunden war. »Gleich über die nächste Anhöhe. Fünf Minuten. Dort gibt’s eine Hütte zum Aufwärmen.«
    Der Mann, der sich beklagt hatte, schaute knurrend auf seine Uhr.
    Jimmy verdrehte die Augen und setzte seinen Marsch den Hügel hinauf fort. Wenn er nicht auf sein Trinkgeld als Führer verzichten wollte, sollte er besser der Versuchung widerstehen, die ganze Bande über die Felsen zu werfen. Ein Opfer an die Meeresgötter seiner Vorfahren. Also trabte er wie stets einfach weiter und erreichte schließlich den Gipfel.
    Hinter sich hörte er die drei nach Luft schnappen. Die meisten Leute reagierten bei diesem Anblick so. Jimmy drehte sich um und wollte seine übliche Ansprache über die Bedeutung dieses Orts vom Stapel lassen, erkannte dann aber, dass seine Begleiter überhaupt nicht auf die grandiose Aussicht achteten, sondern damit beschäftigt waren, hastig jeden Quadratzentimeter bloßliegender Haut vor den milden Winden zu schützen.
    »Ist das kalt!«, meinte der zweite Mann. »Hoffentlich zerspringt die Linse meiner Kamera nicht. Ich fände es absolut scheiße, wenn ich den ganzen verdammten Weg hier raufgewandert wäre und könnte nicht mal was vorzeigen.«
    Jimmy ballte die Hände zu Fäusten. Er zwang sich, gleichmütig zu sprechen. »Die Hütte liegt zwischen der Gruppe schwarzer Kiefern da drüben. Warum gehen Sie nicht hin? Wir müssen noch ein bisschen auf die Sonnenfinsternis warten.«
    »Gott sei Dank«, sagte die Frau. Sie lehnte sich an den Mann, der sich als Erster beklagt hatte. »Beeilen wir uns, Reggie.«
    Jetzt bildete Jimmy das Schlusslicht. Die drei Engländer rannten auf das dürre Gestrüpp aus Kiefern zu, das geschützt in einer Senke lag. Nanook gesellte sich zu ihm und stieß mit der Nase gegen seine Hand – eine Aufforderung, ihn hinter dem Ohr zu kraulen.
    »Guter Junge, Nanook«, murmelte Jimmy. Sein Blick fiel auf die Rauchspur im blauen Himmel. Wenigstens hatte sein Sohn seine Pflichten erfüllt und heute Morgen die Kohlen aufgelegt, bevor er zum Festland abgefahren war, um dort die Sonnenfinsternis mit Freunden zu
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