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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin
Autoren: Karla Weigand
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Sprösslinge.
    Die kleine Céleste jedoch war ein Sonderfall. Körperlich leicht eingeschränkt - das linke Bein war deutlich kürzer als das rechte -, hinkte sie bei jedem Schritt. Und weil ihre rechte Schulter ein wenig höher stand als die linke, erschien ihr Rücken krumm. Ihr ausnehmend hübsches Gesicht mit den großen blaugrauen Augen, umrahmt von einem Wust weißblonder Locken, und ihr wacher, weit über ihr Alter hinausreichender Verstand, vermochten leider nicht, ihre physischen Mängel auszugleichen.
    Hercule de Rohan - ein unbestechlicher Ästhet, was weibliche Schönheit anbelangte - konnte es nicht über sich bringen, die behinderte Tochter ständig vor Augen zu haben.
    »Diese bedauernswerte Kreatur beleidigt mein Gefühl für Ebenmaß und meinen Sinn für gefällige Proportionen«, hatte er brüsk zur Kinderfrau des Mädchens geäußert, als er die Kleine an ihrem zweiten Geburtstag näher in Augenschein genommen und dann das Kind für alle Zeiten aus dem Salon und vom Tisch der Großfamilie verbannt hatte.
    Marie wusste, wie sehr Céleste in den ersten Jahren darunter gelitten hatte - war sie doch von da an schlechter als einer der zahlreichen Hofhunde behandelt worden. Erst im Laufe der Zeit avancierte sie zum erklärten Liebling der Köchin und einiger anderer Domestiken, denen sie sich auf mancherlei Art nützlich machte.
    Seit rund drei Jahren allerdings erwies sich innerhalb der Familie Marie als Stütze des behinderten Mädchens. Sie, die anerkannte »Familienschönheit« der de Rohans, nahm sich der Halbschwester an und schützte sie vor Anfeindungen aller Art.

    Anfangs wunderte man sich noch darüber, dass sich ausgerechnet die attraktivste unter Monsieur Hercules ehelich gezeugten Töchtern der »Verkrüppelten« zugewandt hatte. Nur Marie schien die Qualitäten des Kindes zu erahnen.
    »Darüber hinaus erstrahlt ihre eigene makellose Schönheit neben der missgestalteten Schwester umso heller«, hatte einer der älteren Brüder etwas spöttisch bemerkt. Aber daran hatte Marie nie auch nur einen einzigen Gedanken verschwendet …
    Das kleine Mädchen lohnte ihr die Freundlichkeit und Zuneigung mit Hingabe und bedingungsloser Anhänglichkeit. Es war nicht allein die körperliche Schönheit der Halbschwester, die Céleste so bewunderte: Maries Liebenswürdigkeit, ihre Anteilnahme am Schicksal der so viel Jüngeren und ihre Klugheit, vor allem jedoch ihr heiteres, gelassenes Wesen waren es, die Céleste das Leben am herzoglichen Hof auf einmal so erträglich, ja geradezu angenehm gestalteten.
    Der augenblickliche Schmerz der Älteren, die bitterlich schluchzte, traf Céleste daher mindestens so hart wie Marie. Ganz vorsichtig erkundigte sich die Kleine nach einer Weile, was denn, um Gottes Willen, eigentlich so schlimm an dem sei, was der Vater ihr mitgeteilt habe.
    »Heiraten ist doch nicht soo furchtbar, oder?«
    Da brach das ganze Elend aus Marie hervor: »Nach Paris soll ich fahren und dort einen Mann heiraten, den ich nie im Leben gesehen habe und den ich überhaupt nicht mag. Nein, ich hasse ihn schon jetzt!«, bekräftigte sie voller Inbrunst. »Und er findet mich mit Sicherheit genauso grässlich!«
    Was sie sonst noch von ihm hielt, darüber schwieg sie lieber …
    »Und unser Vater verlangt trotzdem von dir, dass du ihn zum Mann nimmst?« Céleste konnte es kaum glauben. Galt
Marie doch als der Liebling in der zahlreichen Schar seiner Kinder.
    »Ja! Weil es der König so will und der Herzog ihn nicht enttäuschen möchte!«
    Marie fuhr fort, heftig zu weinen; Céleste lief es indes eiskalt den Rücken hinunter. Die lange vermisste und endlich gefundene schwesterliche Zuneigung sollte sie durch ein gnadenloses Schicksal von einem Tag auf den anderen verlieren.
    Mon Dieu! Für sie, die bucklige Céleste, bedeutete dies, dass sie in Zukunft keine Unterstützung in der großen Familie der de Rohans mehr fände, dass sie als »Krüppel« keinen einzigen guten Tag mehr zu erwarten hätte im Schloss Couzières, wo Marie und ihre Geschwister aufgewachsen waren.
    »Alles wird wieder so trostlos wie früher sein«, dachte das kleine Mädchen verzweifelt. »Ich werde meine Tage beim niederen Gesinde verbringen, verspottet und von den rohen Kerlen schikaniert, denn Suzanne, die Köchin, kann ihre Augen nicht überall haben. Manchmal werden sie mich wie ein Haustier liebkosen, um mich anschließend mit einem Fußtritt wieder zu verjagen. Lieber bringe ich mich um, als das erneut
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