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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin
Autoren: Karla Weigand
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hat den Mut besessen, wenigstens ein Gnadengesuch zu seinen Gunsten einzureichen«, triumphierte Marie de Chevreuse. Selbst die Königinmutter Anna hüllte sich in beredtes Schweigen.
    »Anna betet für ihren ehemaligen Freund«, ließ die Herzogin de Chevreuse verlauten. »Sie bittet Gott und die Heilige Jungfrau, dass sie dem Verurteilten die Kraft verleihen mögen, sein hartes, aber nichtsdestoweniger gerechtes Schicksal in Demut auf sich zu nehmen.«
    Der Mann, dem das prunkvollste Schloss Frankreichs gehört hatte, sollte noch viele Jahre lang hinter den Mauern eines Turms dieser Festung als anonymer Sträfling dahinvegetieren, ehe er dort am 23. März 1680 verstarb.

KAPITEL 100
    DAS JAHR 1665 neigte sich mittlerweile seinem Ende zu und der gesundheitliche Zustand der Mutter Ludwigs XIV. hatte sich in den letzten Wochen dramatisch verschlechtert.
    Ende des vergangenen Jahres hatten sich die Hofärzte doch zu einem Eingriff durchgerungen. Sie entfernten der 63-jährigen Anna einen faustgroßen Tumor aus der linken Brust. Die Königinmutter fühlte danach eine gewisse Erleichterung. Allerdings
blieb eine Wunde zurück, die nicht mehr recht heilen wollte und die der inzwischen vollkommen ergrauten und abgemagerten Patientin erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Ein tobender Schmerz wütete darin und die entzündeten Wundränder eiterten und nässten. Außerdem litt Anna an heftigen Fieberschüben, war schwach und appetitlos und zeigte an nichts mehr Interesse.
    Der jahrelange Aufschub, der ihr vergönnt gewesen war, und der ihr unter anderem noch erlaubt hatte, dem fantastischen Fest bei Fouquet beizuwohnen, ging seit geraumer Zeit seinem Ende zu. Die ehemalige Regentin litt entsetzlich und ihre Söhne verbrachten zahlreiche Stunden an ihrem Krankenlager, das wohl auch ihr Sterbebett sein würde.
    In den letzten Wochen vor ihrem Tod verabreichten ihr die Leibärzte kleine Dosen von Opium, damit sie wenigstens in den Nächten ein wenig Schlaf finden konnte.
    Bei Tage lehnte Anna die schmerzlindernden Drogen ab. Die alte Dame wünschte ausdrücklich, bei vollem Bewusstsein zu bleiben, denn nach überkommenem Brauch zogen endlose Kolonnen von Besuchern an ihrem pompösen Himmelbett vorüber, um sich von der Königinmutter zu verabschieden.
    »Verstehst du, liebe Marie, dieses Defilee will ich nicht im Delirium, sondern in wachem Zustand miterleben«, flüsterte die Todkranke der Herzogin de Chevreuse zu, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, am Bett ihrer liebsten Freundin zu wachen. Bis zur Schwelle des Todes würde sie Anna begleiten, die das Begafftwerden durch die Besucherströme geduldig auf sich nahm.
    Nur zu gut kannte Anna dies alles: Einst, während des langsamen Sterbens ihres Gemahls, Ludwigs XIII., war es genauso gewesen. Nur, wenn die bohrenden Schmerzen gar zu entsetzlich
wurden, bat Anna alle, auch ihre Söhne, den Raum zu verlassen - mit einer Ausnahme: Marie de Chevreuse.
    Nur ihre alte Freundin durfte ihr erbärmliches Stöhnen und ihr verzweifeltes Schluchzen hören. Vor ihr konnte sie sich gehen lassen, ohne sich ihrer Schwäche schämen zu müssen.
    »Was habe ich bloß verbrochen, dass der Herrgott mich so leiden lässt?«, weinte die Königin dann oft. »War ich denn so schlecht in meinem Leben? Ich habe mich doch immer bemüht, eine gute Christin, Ehefrau und Mutter zu sein. Warum lässt Gott mich nicht endlich sterben, damit meine Qual ein Ende hat?«
    Marie hielt ihre Hand, sprach ihr Trost zu und betete mit ihr.
    Als Anna davon sprach, eine gute Ehefrau und Mutter gewesen zu sein, musste Marie de Chevreuse unwillkürlich an das Dokument in der roten Mappe denken, das sie Céleste vor Jahren gezeigt und anschließend verbrannt hatte.
    »Warst du das wirklich? Hast du deinen Gemahl, Ludwig XIII., niemals betrogen?«, ging es Marie durch den Kopf. »Oder bist du etwa doch die Mutter dieses geheimnisvollen Mannes mit der Eisernen Maske? Und wenn du es bist, wie konntest du es übers Herz bringen, dein eigen Fleisch und Blut in einem Kerker dahinvegetieren zu lassen?«
    Als sie in Gedanken bei diesen hässlichen Überlegungen angekommen war, erschrak die alte Herzogin. In ihrem Kopf schien sich alles zu drehen und ihr wurde schwindelig. Marie vermochte auf einmal nicht mehr zu sagen, ob der Inhalt der Dokumente eine gemeine Lüge war - oder am Ende doch die traurige Wahrheit. Das, was sie immer für unmöglich gehalten hatte, erschien ihr plötzlich als eine dunkle Facette der Wirklichkeit.
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