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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin
Autoren: Karla Weigand
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riesiger Kerl in schwarzer Lederschürze begann, seinem
bereits halbtot geprügelten Opfer die Haut am Rücken in schmalen Streifen abzuziehen, fiel Céleste in Ohnmacht. Da eine schmutzige Bettlerin ihr ein Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase hielt, kam sie bald wieder zu sich - nur um mitzuerleben, wie der Delinquent vergeblich versuchte, seinem Folterer zu entfliehen.
    Wie ein waidwundes Tier kroch der Mann auf dem Boden des Innenhofes fort von seinem Peiniger, eine breite Blutspur hinterlassend. Sich aufzurichten war ihm nicht mehr möglich, da der Henker ihm vorsorglich die Füße abgehackt hatte. Zu diesem Zeitpunkt verlor Céleste zum zweiten Mal das Bewusstsein. Und wieder »half« ihr die Bettlerin.
    Als der Schlächter anschließend den zum Tode Verurteilten »kitzelte« - das heißt ihm eine brennende Fackel unter die Achseln, an den Hals, an die Brust sowie in den Schritt hielt - musste sie sich übergeben.
    Zutiefst schockiert verließ sie, nachdem dem Opfer - das bis zuletzt bei Bewusstsein war - der Kopf abgeschlagen worden war, die Festung der Pariser Unterwelt für immer.
    Aus Angst um ihr Leben belog sie Saint-Hector, aber sie war sich nicht sicher, ob er sie nicht doch durchschaut und die wahren Gründe ihres Fortgangs erkannt hatte. Eines jedoch begriff er mit Gewissheit: Diese »Königin« war für ihn für alle Zeit verloren …
    Eine letzte Warnung ließ sie ihm noch übermitteln - gewissermaßen als Dank für erwiesene Wohltaten:
    König Ludwig XIV. plante, den »Sumpf« im »Cour des Miracles« mit Hilfe starker Polizeikräfte, die er in Kürze berufen wollte, ein für alle Mal trockenzulegen.
    Tatsächlich sollte es jedoch noch Jahrzehnte dauern, ehe Ludwig XIV. dem Verbrechen und den Verbrechern in seiner Hauptstadt Herr werden konnte.

    Im Augenblick beschäftigten ihn auch ganz andere Dinge. Eigentlich hatte Céleste vorgehabt, über die grausigen Erlebnisse im »Hof der Wunder« Stillschweigen zu bewahren. Ihre Schwester Marie war jedoch eine zu gute Menschenkennerin. Ohne Umschweife erkundigte sich die Chevreuse nach der Ursache von Célestes Verstörtheit.
    »Mir kannst du nichts vormachen, ma Chère! Du vermittelst den Eindruck einer Frau, die unversehens einen Blick in die Hölle geworfen hat. Was ist geschehen?«
    Da sprudelte es aus Céleste nur so heraus. Insgeheim war sie froh darüber, sich das Grauen endlich von der Seele reden zu dürfen. Im Nachhinein noch stellten sich ihre Nackenhaare auf und Schauer des Entsetzens liefen ihr über den Rücken.
    »Und so ein Ungeheuer habe ich jahrelang geliebt«, schluchzte sie am Ende und ein wahrer Sturzbach von Tränen ergoss sich dabei über ihr immer noch schönes Gesicht. Die Herzogin, die im Allgemeinen nicht viel übrig hatte für Sentimentalitäten, war dieses Mal doch sehr berührt vom Schmerz der Schwester. Behutsam zog sie die hemmungslos Weinende an sich und wiegte sie in ihren Armen.
    »Beruhige dich, Liebste. Du musst nie mehr zurück zu diesen gottlosen Menschen und ihrem verfluchten Anführer. Es ist vorbei, ma Petite.«
    Sie strich Céleste über das silberweiße Haar und ganz langsam entspannte sich deren Miene. Endlich ließ Marie sie los und schüttelte den Kopf.
    »Ich hätte im Leben nicht gedacht, dass du noch immer so naiv bist, Schwesterchen. Saint-Hector, ein hilfloser Krüppel - wie sollte so einer imstande sein, an der Macht zu bleiben inmitten eines Haufens von Messerstechern, Totschlägern, Räubern, Betrügern und gemeinen Dieben? Sein ›Volk‹ besteht
aus dem Abschaum von Paris, ja von ganz Frankreich! Da kann sich doch seine Herrschaft nicht auf Nächstenliebe, Verständnis und Humanität gründen.
    Du hast vermutlich nie genau in die Augen derer gesehen, die ihm blind ergeben sind. Sonst wäre dir nicht verborgen geblieben, dass ihre Herzen eiskalt sind, da sie ihr Gewissen - so sie denn je eines gehabt haben sollten - längst ihrem Herrn und Meister geopfert haben. Sobald Saint-Hector nur mit einem Auge zwinkert, ist das Leben eines Störenfrieds, selbst wenn es sich dabei um einen langjährigen, treuen Gefährten handelt, keinen Sou mehr wert!
    Der König der Bettler ist einer der schlimmsten Tyrannen, die ich je erlebt habe, und ich würde keinem raten, diesem angeblichen Marquis in die Quere zu kommen. Ich sage das, obwohl ich ihm viel zu verdanken habe. Aber ich habe mich damals auch wohlweislich sofort erkenntlich gezeigt. Es lag mir nichts daran, diesem Schandfleck von Paris in irgendeiner
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