Im Dienste der Comtesse
Spiegel zu. „Und das macht Ihnen etwas aus?“
„Ich werde lernen, dass es mir nichts ausmacht.“
„Wenn Sie keine Lust auf diese Essensgesellschaft haben, warum gehen Sie dann dorthin?“
„Meine Freundin bittet mich, bei ihr zu erscheinen“, erklärte Mélusine. „Sie hat geheiratet, während ich in Bordeaux war. Ich habe ihr geschrieben, als ich wusste, dass ich nach Paris zurückkehren würde, und als ich hier eintraf, wartete ihre Einladung bereits auf mich. Es liegt auch nicht an Amélie, sondern vielmehr an ihren Gästen …“ Sie verstummte und ärgerte sich, dass sie ihre Nervosität wegen ihres ersten Auftritts in der Pariser Gesellschaft so unverhohlen zugab. „Es tut mir leid“, sagte sie.
„Was denn?“
„Dass ich an Ihren Fähigkeiten zweifelte.“
Sein flüchtiges Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Ich habe durchaus schon oft frisiert. Nur in letzter Zeit eben nicht“, erwiderte er knapp.
Mélusine ertrug das Schweigen nicht, das sich nun zwischen ihnen ausbreitete. Ihre Entschuldigung hatte nicht dazu beigetragen, seine Laune zu bessern. Als er anfing, sie zu frisieren, redete er nur deshalb so wenig, weil er sich völlig auf diese Aufgabe konzentrierte – dessen war sie sich mittlerweile sicher. Doch jetzt spürte sie deutlich eine gewisse Missstimmung zwischen ihm und ihr, dabei konnte sie nicht einmal sagen, warum.
„Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Mutter und Ihrer Schwester“, bat sie ihn und erinnerte sich, wie sanft sein Gesichtsausdruck geworden war, als er das letzte Mal von ihnen gesprochen hatte.
Er hob ruckartig den Kopf, und einen Augenblick hatte sie fast das Gefühl, als machte ihn ihre Frage misstrauisch, aber das ergab eigentlich keinen Sinn. „Warum?“, fragte er.
„Sie sind ihretwegen aus Amerika zurückgekehrt“, erklärte sie. „Sie tun all das hier nur für sie. Das finde ich bewundernswert. Nicht alle Söhne und Brüder sind so rücksichtsvoll. Ich habe allerdings weder das eine noch das andere.“ Sie seufzte.
„Hätten Sie gern einen Bruder gehabt?“, erkundigte er sich.
„O ja !“, rief sie inbrünstig.
„Der sich nach dem Tod Ihres Gemahls um Sie hätte kümmern können?“
„Nein. Hätte ich einen Bruder gehabt, hätte ich niemals einen Ehemann gebraucht.“
„Sie meinen, ein Bruder hätte Sie großzügiger versorgt?“
„Nein, aber es wäre seine Aufgabe gewesen, meinem Vater den so heiß ersehnten Enkel und Erben zu schenken.“ Als sie Pierres seltsam anerkennenden Blick im Spiegel auffing und ihr klar wurde, wie viel sie da von sich preisgegeben hatte, wurde ihr plötzlich ganz flau im Magen. „Aber das muss strikt unter uns bleiben, darüber dürfen Sie mit niemandem sprechen“, ermahnte sie ihn.
„Sehr wohl, Madame.“
3. KAPITEL
Das Essen wurde um drei Uhr serviert, wie es in diesen Zeiten in Mode war. Doch noch ehe sich die Gäste zu Tisch setzten, war Mélusine bereits überaus nervös und gereizt. Vor fünf Monaten hatte Amélie den Comte de La Fontaine geheiratet. Mélusine kannte La Fontaine zwar nur flüchtig, aber das hatte ausgereicht, ihn nicht zu mögen. Sie hoffte, die Ehe hätte ihn zum Positiven verändert, aber das spöttische Glitzern in seinen Augen bei der Begrüßung weckte in ihr die Befürchtung, dass dem nicht so war. Als sie sich umsah und feststellte, dass die anderen Gäste nur Freunde des Comte, nicht aber von Amélie waren, wünschte sie, sie hätte ihre Freundin vorher erst einmal privat aufgesucht, anstatt sich gleich in so eine möglicherweise unfreundliche Umgebung vorzuwagen.
„Der Marquis de Sade ist aus der Bastille entlassen worden“, berichtete La Fontaine gerade.
„Gütiger Gott! Und ich dachte, er müsste dort bis ans Ende seines Lebens schmoren!“, rief der Marquis de Chaumont aus.
„Er hat den Leuten vor seinem Gefängnisturm liederliche Parolen zugerufen“, erklärte La Fontaine, was allgemeines Gelächter hervorrief.
„Seine Frau hat ihn regelmäßig einmal in der Woche besucht“, warf Amélie ein.
„Diese Närrin – so etwas wäre mir nie eingefallen“, bemerkte Sabine de Foix mit einem Seitenblick auf ihre Gastgeberin. Amélie errötete und betrachtete angestrengt ihren Teller.
„Zurzeit ist Saint-André der erlauchteste Gast in dieser ‚Herberge‘“, erzählte La Fontaine weiter.
Mélusine erstarrte und glaubte, sich verhört zu haben.
„Nicodème de Saint-André in der Bastille!“, staunte Chaumont. „Aber weshalb, um Himmels willen? Davon
Weitere Kostenlose Bücher