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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse
Autoren: CLAIRE THORNTON
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schrecklichen Fehler begangen zu haben. Seit dem Betreten ihres Boudoirs hatte er jedoch nichts Herausforderndes gesagt oder getan. Abgesehen von seinem kurz angebundenen „Nein, Madame“ hatte er tatsächlich gar nichts gesagt, seine ganze Aufmerksamkeit galt ihrem Haar.
    Sie betrachtete ihn nun eingehender, und da fiel ihr auf, was ihr vorher entgangen war, weil sie zu angespannt auf irgendeine anzügliche Bemerkung von ihm gewartet und zum Teil sogar befürchtet hatte, er könnte sie auf unschickliche Weise berühren. Er konzentrierte sich wirklich sehr auf ihr Haar und auf das, was er damit anstellte. Jean-Baptiste wäre zu diesem Zeitpunkt längst mit dem Kämmen fertig gewesen und hätte damit begonnen, das Haar zu einer hochmodischen, kunstvollen Frisur zu legen. Die vielen verschiedenen Arten von Haartrachten hatten so viel Zeit erfordert, nicht der Mangel an Können. Auch war es Jean-Baptiste gleichgültig gewesen, wenn er bisweilen zu fest an den Strähnen zerrte.
    Pierres Hände waren größer als die von Jean-Baptiste, aber Mélusine spürte, dass er genau darauf achtete, nicht zu fest zu ziehen. Der Blick seiner grauen Augen war über alle Maßen konzentriert, und als er eine schwere Strähne durch seine Finger gleiten ließ, war sie plötzlich auf unerklärliche Weise fest davon überzeugt, dass er das tat, weil er das Gefühl genoss.
    Pierre legte den Kamm zur Seite und schob die Hände in ihr Haar, um ihr die Kopfhaut zu massieren. Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und beinahe hätte sie hörbar den Atem angehalten. Plötzlich war sie sich überdeutlich bewusst, dass er nur wenige Zentimeter hinter ihr stand. Wenn er sich nur ein winziges Stück nach vorn bewegte, würde er sie mit dem Körper berühren. Das Haar fiel ihr über die Augen, und nun spürte sie nur noch seine Fingerspitzen auf ihrer Kopfhaut, das seidig raschelnde Geräusch, als ihr Haar durch seine Finger glitt.
    Ihr Kopf war nach vorn gebeugt, ein Vorhang kastanienroter Locken nahm ihr die Sicht, und sie fühlte sich viel verletzlicher, als ihr lieb war, und doch empfand sie die Massage für eine Weile als so wohltuend, dass sie sich nicht aufraffen konnte, ihm Einhalt zu gebieten. Dann allerdings fiel ihr wieder ihr Verdacht ein, er ließe sich deshalb so viel Zeit, weil er keine Erfahrung im Frisieren hatte. Bei dem Vorstellungsgespräch hatte er sich etwas überrascht angehört, als sie gesagt hatte, sie erwartete von ihm, ihr das Haar zu frisieren. Ihre kurze Bekanntschaft mit ihm hatte sie glauben lassen, dass er ein Mann war, der nicht gern Gebiete enthüllte, auf denen er sich nicht so kompetent fühlte. Aber vielleicht verhielt er sich einfach schweigsamer als gewöhnlich, wenn er versuchte, eine Aufgabe zu bewältigen, die ihm nicht vertraut war? Möglicherweise setzte er seine Fähigkeiten als Liebhaber ein, um sie von seinem Mangel an Kompetenz abzulenken?
    „Wissen Sie eigentlich, was Sie da tun, Monsieur?“, fragte sie mit leicht gedämpft klingender Stimme.
    „Ja.“
    „Drücken Sie sich bitte etwas präziser aus.“ Es war schwierig, respekteinflößend zu klingen mit nach vorn gebeugtem Kopf und ins Gesicht hängenden Haaren, aber sie bemühte sich dennoch, ihrer Stimme eine etwas gebieterische Note zu verleihen.
    „Ich stimuliere die Wurzeln Ihres Haars, damit es noch üppiger wächst.“
    „Indem Sie mich massieren? Sie haben keine Ahnung, wie man frisiert, nicht wahr?“ Sie hob den Kopf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Sie wollen mich nur ablenken, damit ich das nicht bemerke. Die Duchesse hat Sie eingestellt wegen Ihrer … wegen … kurz gesagt, jedenfalls nicht wegen Ihrer Frisierkünste.“
    „Madame, das ist ein sehr seltsamer Schluss, den Sie da ziehen“, erwiderte Pierre kalt.
    „Ich wüsste nicht, warum. Jean-Baptiste hätte schon vor einer halben Ewigkeit die Haarnadeln gesteckt – und er brauchte insgesamt nur zwei Stunden. So wie Sie arbeiten, sitzen wir hier noch um Mitternacht.“
    „Haarnadeln?“, wiederholte Pierre. „Was für ein Frevel!“
    „Ach, um Himmels willen!“ Mélusine griff nach dem Kamm. „Wenn Sie nicht frisieren können, dann ist das eben so. Das stört mich nicht, Hauptsache, Sie können Türen öffnen, mir beim Einsteigen in die Kutsche behilflich sein und so aussehen wie ein Diener. Sie können doch sicher Wein einschenken und Gemüse servieren, ohne dabei etwas zu verschütten, oder?“
    „Sogar im Bett“, erwiderte
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