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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten
Autoren: Fler
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da gleich ein Video für deine nächste Single.« Das klang natürlich verlockend. Ich wollte mit meinem nächsten Album ohnehin eine Ansage machen – den Leuten da draußen zeigen, dass es auch ohne Aggro, Universal oder Ersguterjunge ging. Und ein Ami-Video dafür zu drehen war natürlich die perfekte Idee. Fler goes America. Es war offenbar an der Zeit, dass ich mich auch meiner letzten großen Angst noch stellte, und deshalb atmete ich tief durch und buchte gleich drei Flugtickets nach New York: für Gan-G, einen Kameramann und mich. Wir reservierten uns ein Zimmer in einem Hotel in Chinatown, und dann konnte es auch schon losgehen. Ich hätte auch ein viertes Ticket für Sabrina buchen wollen, aber sie war in Köln beschäftigt und konnte sich leider nicht freinehmen.
    Mit schweißnassen Händen stieg ich in den Flieger und setzte mich auf meinen Platz am Fenster. Reihe 12. Als die Maschine abhob, krallte ich mich mit meinen Händen in die Seitenlehne und bestellte sofort einen Schnaps bei der Stewardess. Scheiß auf Tomatensaft – ich brauchte ein großes Glas Jägermeister. Das kippte ich sofort runter und versuchte zu schlafen, aber es war zwecklos.
    »Was ist, wenn wir abstürzen?«, fragte ich Gan-Gpanisch.
    »Es passiert schon nichts, Fler. Beruhig dich! Fliegen ist doch sicherer als Autofahren. Also chill mal.« Er selbst wirkte tatsächlich völlig tiefenentspannt. Ich versuchte mich verkrampft mit Filmen, Büchern und Musik abzulenken, aber es half nichts. Ich war nass geschwitzt. Das Gefühl ließ mich an die Panikattacken denken, die ich früher gehabt hatte. Ich blickte mich hektisch im Flieger um und sah die ganzen Touristen und Schlipsmänner, die vielen deutschen Normalbürger, die plaudernd und gleichgültig um mich herumsaßen.
    Da wurde mir so deutlich bewusst wie seit Langem nicht mehr, dass ich einfach nicht dazugehörte. Plötzlich ging ein Ruck durch die Maschine, wir waren wohl durch ein Luftloch geflogen, und die Stewardess, die gerade auf meiner Höhe über den Gang lief, warf mir einen mitleidigen Blick zu. Ich spürte die große Angst in mir aufsteigen, und ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich hier im Flieger jetzt einen Anfall bekam. Ich konnte ja schlecht die Tür zum Cockpit einschlagen und den Piloten zur sofortigen Umkehr zwingen. Schließlich gelang es mir, die Angst unter Kontrolle zu halten und Schlimmeres zu verhindern. Aber es war ein hartes Stück Arbeit, auf das ich mich den ganzen beschissenen Flug über von Minute zu Minute konzentrieren musste.
    Erst als ich nach knapp neun Stunden einen Blick aus dem Fenster wagte und tatsächlich die ersten Wolkenkratzer von Manhattan sah, konnte ich aufatmen. Wow! Das Gefühl, das in diesem Moment in mir hochkam, war unbeschreiblich. Ich kam mir vor wie in einem Film – nur noch viel besser. Ich spürte den Anblick dieser bombastischen Stadt als Kribbeln bis in die Fußspitzen. Meine Angst war auf einmal wie weggeblasen, am liebsten wäre ich gleich rausgesprungen und hätte mir Flügel wachsen lassen, um den Rest der Strecke schneller allein fliegen zu können. Die Landung war etwas holprig, aber das störte mich nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, dass die Angst niemals zurückkommen würde.
    Dann kam die letzte Hürde: die Immigration. Ich musste ewig in der Schlange warten, dann gab ich meine Fingerabdrücke ab, posierte für das Foto, und als ich schließlich gefragt wurde, was ich denn in New York vorhatte, antwortete ich ganz artig: »I’m here for shopping and holidays.« Dass wir ein Musikvideo drehen wollten, durfte ich auf gar keinen Fall erzählen, weil wir kein Arbeitsvisum beantragt hatten. Wäre das aufgeflogen, hätten die uns wahrscheinlich sofort festgenommen, so streng, wie die guckten. Der Beamte, der meinen Pass abstempelte, musterte mich von oben bis unten, aber für die sah ich vermutlich aus wie ein stinknormaler Tourist. Und das war auch gut so. Ich durfte ohne Probleme einreisen.
    Ich hatte es tatsächlich geschafft: Ich war in den USA! In New Yoooork! Die ganze Zeit hatte ich den Song »Empire State of Mind« von Jay-Z und Alicia Keys im Ohr. Das war der perfekte Soundtrack für diesen Trip! Wir stiegen ins Taxi und ließen uns durch die Stadt fahren. Das schicke Manhattan war zwar extrem cool, interessierte mich aber weniger. Ich wollte viel dringender sehen, wie es in den Gettos abging – die ich bisher ja nur aus den ganzen Rapvideos und Filmen kannte. Gan-Gbuchte in Deutschland
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