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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint
Autoren: Pamela Callow
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schauen wir, ob wir in der Prozessabteilung etwas für Sie finden.« Ihre Blicke trafen sich. Seiner war scharf. Durchdringend. Als wollte er ihre Gedanken lesen.
    Kate ließ sich davon nicht täuschen. Natürlich war er nicht an ihr interessiert. Er ging nur davon aus, dass sie wie jede Frau auf seine Anziehungskraft reagierte.
    Und um ehrlich zu sein, tat sie das auch. Wie hätte sie es verhindern können? Aber er war nicht ihr Typ. Zu großspurig, zu selbstsicher, zu arrogant. Trotzdem spürte sie etwas. Etwas, das sehr viel mit uralten Trieben zu tun hatte und nicht das Geringste mit Selbstachtung. Körperlich auf einen so übermäßig selbstsicheren Mann zu reagieren, war beschämend.
    Kate ging an ihm vorbei und betrat das Foyer. Die Glastür fiel hinter ihr zu. Randall war ihr nicht gefolgt.
    Kate atmete tief durch. Randalls herablassende »Sei-schön-brav«-Haltung war schwer zu ertragen gewesen. Andererseits hatte er ihr den ersehnten Knochen zugeworfen, und sie hatte viel zu lange darauf gehofft, um nicht zuzugreifen. Mehr würde sie von Randall nicht bekommen: Wenn sie ihn während der Probezeit noch einmal bedrängte, würde sie ihre Sachen packen müssen.

2
    Die neue Mandantin stemmte sich in die Höhe, als Kate sich ihr näherte.
    »Mrs MacAdam?« Insgeheim hoffte Kate, dass sie sich irrte. Sie hatte eine Frau mittleren Alters erwartet. Marian MacAdam musste jedoch über siebzig sein. Sie trug einen schön geschnittenen hellbraunen Mantel, der ihren krummen Rücken kaschierte, und einen kunstvoll drapierten Schal in Pink und Orange. Kate hätte wetten können, dass die Frau Audi oder Mercedes fuhr. Die Marken waren bei gut betuchten älteren Damen in Halifax sehr beliebt. Nur die Augen verrieten, dass die Frau Sorgen hatte. Sie blickten ängstlich und erschöpft.
    »Ja.« Marian MacAdam betrachtete Kate von oben bis unten und schien verunsichert.
    Kate lächelte beruhigend. »Ich bin Kate Lange.« Sie reichte der Frau die Hand. Ihre fühlte sich weich und warm an, trotz der Arthritis in den Fingern.
    »Zu meinem Büro geht es hier entlang.« Kate hielt ihr die Glastür auf. Auf dem Weg den Flur entlang machte sie bewusst kleine Schritte und plauderte dabei über das Wetter und die Tulpen. Marian MacAdam nickte, sagte aber wenig. Als sie Kates Büro erreichten, atmete sie flach und stoßweise.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz, Mrs MacAdam.«
Bevor Sie mir umkippen.
    Marian MacAdam ließ sich in den blauen Polstersessel sinken und schaute sich um. Ihr Blick wanderte von Kates Fachbüchern zu den Zeugnissen an der Wand und dem Foto von Kates Hund. Bei Alaskas albernem Grinsen verweilte er am längsten.
    Kate setzte sich hinter den Schreibtisch. »Sie suchen also Rat in einer Sorgerechtsfrage?« Im Stillen hoffte sie, dass Randall sich geirrt hatte. Denn wenn diese Dame tatsächlich wegen einer Sorgerechtsfrage hier war, musste es sich um ein Enkelkind handeln. Und das würde kompliziert werden.
    »Ja«, sagte Marian MacAdam ein wenig trotzig. »Ich möchte das Sorgerecht für meine Enkelin.«
    Dieser verdammte Randall Barrett. Er hatte sie wirklich auf dem Kieker. »Ich verstehe. Lebt sie bei den Eltern? Oder bei einem Elternteil?«
    Marian MacAdam zögerte. »Sie lebt bei meiner Schwiegertochter. Mein Sohn ist vor zwei Jahren ausgezogen, und sie haben sich ein Jahr später scheiden lassen.«
    Kate begann, sich Notizen zu machen. »Wie alt ist Ihre Enkelin?«
    »Fünfzehn.«
    »Fünfzehn?« Kate ließ den Stift sinken und schaute ihre Mandantin an. »Wie steht sie denn dazu?«
    »Sie will bei ihrer Mutter bleiben.«
    Kate legte den Stift beiseite. »Warum wollen Sie dann das Sorgerecht?«
    Marian MacAdam beugte sich vor. »Weil ihre Mutter sich überhaupt nicht um sie kümmert. Sie kennt nur ihre Arbeit. Sie weiß gar nicht, was Lisa den ganzen Tag tut.« Missbilligend verzog sie den Mund, und die schlaffe Haut an ihrem Kinn legte sich in Falten: ein Bild der Empörung.
    Ohne es zu ahnen, trug sie damit die gleiche Miene zur Schau wie drei Viertel von Kates Mandanten. Zorn, Schuldzuweisungen – in einem Sorgerechtsstreit fand man das auf beiden Seiten. Kate hörte sich dann die Schmähreden an, versuchte den Schmerz zu lindern und kam erneut auf die rechtlichen Fragen zu sprechen, und dabei graute es ihr schon vor dem nächsten Mandanten.
    Vielleicht musste Lisas Mutter arbeiten, um über die Runden zu kommen. In Nova Scotia gab es viele Väter, die sich um ihre Unterhaltspflicht drückten. Vielleicht
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