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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint
Autoren: Pamela Callow
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sie aussah. Müder, als es sich für eine Einunddreißigjährige gehörte. Das verdankte sie Alaska. Dieser verdammte Hund hatte keine Woche gebraucht, um ihr Herz zu erobern … und jetzt musste er zu Hause auf sie warten. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Kate klappte das Döschen zu und schob die Schuldgefühle beiseite. Sie war noch immer in der Probezeit. Da konnte sie einem Partner der Kanzlei nicht einfach eine Bitte abschlagen, auch wenn es Freitag war und Alaska seit Stunden nicht ausgeführt worden war. Nach der Probezeit, wenn sie bei LMB fest angestellt war, würde sie fragen können, ob es nicht bis Montag Zeit hatte. Aber jetzt noch nicht.
    Sie passierte den langen Flur, von dem zum Gebäudeinneren hin das Großraumbüro mit den zahllosen kleinen Arbeitskammern abging und nach außen hin geräumige Einzelbüros. Erleichtert stellte sie fest, dass Rebecca Manning schon nach Hause gegangen war. »Es heißt ja, John Lyons hätte dich nur eingestellt, um dich flachzulegen«, hatte Rebecca ihr vor drei Wochen auf der Damentoilette erzählt. Kate hatte nicht viel darauf gegeben; in einer Herde entstand immer Unruhe, wenn jemand Neues dazukam. Doch mit jedem Fall aus dem Familienrecht, der auf ihrem Tisch landete, klangen ihr Rebeccas Worte etwas lauter in den Ohren. Vielleicht bekam sie nur deshalb ständig solche Fälle, weil Randall ebenfalls glaubte, John habe sie aus rein persönlichen Gründen eingestellt. Randall würde das mit Sicherheit übel nehmen, vor allem wenn auch nur ein Fünkchen Wahres an den Gerüchten über das Scheitern seiner Ehe war.
    Kate richtete sich trotzig auf. Sie hatte sich nicht halb tot gearbeitet, um sich von zwei Männern unterkriegen zu lassen, denen sie nichts schuldig war. Wegen eigener Schwächen schlechte Noten zu bekommen, mochte angehen; aber wenn sie nur deshalb als ungeeignet abgelehnt wurde, weil Randall Barrett einen Groll gegen Ethan Drake oder John Lyons hegte, dann lag die Sache anders. Sie würde Randall schon zeigen, dass sie die Stelle verdient hatte. Ja, er sollte noch froh sein, dass sie bei LMB arbeitete.
    Entschlossen und voller Erwartung lief sie die Treppe von der Etage der Mitarbeiter zu der der Partner hinauf. Die Tür zu John Lyons’ Büro stand halb offen. Kate klopfte leise. John räusperte sich und rief: »Herein.«
    Sein Eckbüro war eindrucksvoll, und das sollte es auch sein. Die zimmerhohen Fenster boten einen atemberaubenden Blick auf den Hafen von Halifax. Dunkel und unergründlich lag das Wasser unter dem wolkenverhangenen Himmel. Auf einem Perserteppich standen zwei Queen-Anne-Stühle vor einem Schreibtisch aus echtem Mahagoni, der wie geschaffen schien für den leitenden Prozessanwalt von LMB . John saß hinter der breiten Arbeitsfläche; selbst so spät am Abend war sein blassblaues Hemd noch makellos frisch. Seine zinngrau und pflaumenblau gestreifte Krawatte schimmerte dezent. Das dichte silbern glänzende Haar beeindruckte Kate immer wieder. In dem Punkt konnten sich nicht viele Männer über fünfzig mit ihm messen. Es wellte sich gerade so stark, dass es glatt zurückgebürstet seine hohe Denkerstirn betonte.
    Kate warf einen kurzen Blick auf die Akte, die aufgeschlagen auf dem Schreibtisch lag. An eins der Dokumente war in der Ecke ein blassblaues Dreieck geheftet. Ein Zeichen dafür, dass ein Zivilprozess eingeleitet worden war. Kate spürte ein Kribbeln auf der Haut.
    »Hallo Kate.« John stand auf, höflich wie immer, und wies mit der Hand auf einen der Stühle. »Bitte nehmen Sie doch Platz.«
    »Danke.« Sie lächelte ihm zu.
    Er wartete, bis sie sich niedergelassen hatte, und setzte sich dann ebenfalls. »Also, wie läuft es bei Ihnen? Wir haben ja eine Weile nichts voneinander gehört.« Er lehnte sich im Ledersessel zurück und blickte sie aus grauen Augen mit aufrichtigem Interesse an.
    Kate schlug die Beine übereinander. »Randall sorgt dafür, dass ich reichlich zu tun habe.«
    John nickte. »Hat er Ihnen interessante Fälle gegeben?«
    Sie zuckte die Schultern. »Wenn man sich etwas aus Familienrecht macht.« Sie mochte John nichts vorgaukeln. Vor allem sollte er nicht merken, wie sich ihr Magen verkrampfte, sobald der Name Randall Barrett fiel.
    Er blickte sie prüfend an. »Das liegt Ihnen nicht, ich weiß, aber um voranzukommen, muss man manchmal auch Dinge tun, die einen eigentlich nicht interessieren.«
    Kate versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Merkte er eigentlich, wie herablassend das klang?
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