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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint
Autoren: Pamela Callow
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den Aktenstapeln auf ihrem Schreibtisch, wo er für einen Moment an den Bänden
Reports of Family Law
hängen blieb. »Sehr beschäftigt?«
    Die Frage hatte es in sich. Sicherlich stellte er sie jedem neuen Mitarbeiter, der die heiligen Hallen der Kanzlei betrat. Wenn sie Nein sagte, kam sie vermutlich in die Überstundenhölle. Aber Ja zu sagen wäre dem Boss von LMB gegenüber flegelhaft gewesen.
    »Man ist nie zu beschäftigt«, entgegnete sie.
    Wieder hob er eine Braue. »Gut.« Er warf die Aktenmappe auf ihren Schreibtisch. »Sie haben eine neue Mandantin. Sie wartet am Empfang.«
    Es war also ein Test gewesen. Sie schlug die Mappe auf. Obwohl sie genau wusste, dass Randall Barrett ihr nicht geben würde, was sie sich wünschte – das war nicht sein Stil –, hoffte sie einen Moment lang auf die Chance, beweisen zu dürfen, dass man ihr mehr zutrauen konnte als die Familienrechtsfälle, mit denen man sie bisher überhäuft hatte.
    Die Akte enthielt nur ein Blatt Papier. Darauf waren mit schwarzer Tinte flüchtig drei Worte gekritzelt:
Marian MacAdam. Sorgerechtsangelegenheit
.
    Der Anblick löste Enttäuschung und Mutlosigkeit in ihr aus. Sogar Ärger. Aber keine Schuldgefühle. Das kam später.
    Sorgsam schloss sie die Mappe. Die Anzeichen waren eindeutig. Randall hatte sie fest für Familienrecht eingeplant. All die Binsenweisheiten zum Thema Probezeit, die ihr Mentor John Lyons von sich gegeben hatte – dass man in dieser Zeit herausfinden werde, wo ihre Stärken lagen und auf welchem Gebiet man sie am besten einsetzen könne –, all das war nur Gerede gewesen. Bisher hatte sie keinen einzigen Fall aus der Prozessabteilung oder dem Versicherungs- oder Körperschaftsrecht bearbeiten dürfen. Nur Familienrecht. Das rosafarbene Ghetto.
    Sie begegnete Randalls Blick. Er wirkte gelassen, sogar amüsiert. Zum Teufel mit ihm. Er wusste, dass sie sauer war. Und es freute ihn.
    Sie ging um ihren Schreibtisch herum und verschränkte die Arme vor der Brust. »Meine Probezeit dauert nur noch zwei Monate.«
    Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Er wandte sich ab und hielt ihr die Bürotür auf, in der Erwartung, dass sie jetzt ihre neue Mandantin abholte.
    Dass er nicht antwortete, sollte sie natürlich einschüchtern. Sie ging vor ihm aus dem Zimmer – als Gentleman ließ er ihr selbstverständlich den Vortritt, auch wenn ihm noch so viel daran lag, anderen stets einen Schritt voraus zu sein. Über die Schulter hinweg sagte sie: »Als John Lyons mich
angeworben
hat …« Ein leichtes Heben seiner Brauen verriet ihr, dass ihm der Hinweis nicht entgangen war. »… hat er gesagt, ich würde in der Prozessabteilung arbeiten.« Sie ging den Flur entlang.
    »Dazu war er nicht berechtigt.« Randall schloss zu ihr auf.
    Sie hoffte, dass man ihr nicht ansah, wie sehr diese beiläufige Bemerkung sie verunsicherte. Der Verdacht, dass John bei LMB weniger zu sagen hatte, als er sich einbildete, war ihr schon kurz nach ihrem Eintritt in die Kanzlei gekommen, aber sie hätte nie erwartet, dass der Managing Partner so etwas einer neuen Mitarbeiterin gegenüber aussprach. Normalerweise hielten Partner zusammen.
    »Warum haben Sie mich denn eingestellt?«
    »Wir haben Sie auf Probe in die Kanzlei aufgenommen …« Die Worte waren offensichtlich mit Bedacht gewählt. Obwohl Kate entschlossen war, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen, zog sich ihr Magen zusammen, »… um herauszufinden, wo Ihre Stärken liegen.«
    »Ich hätte gedacht, dass Sie das schon beim Fall Robertson erkannt haben.« Ganz allein hatte sie damals den Sieg für einen Mandanten errungen, der wie David gegen einen übermächtigen Gegner angetreten war. John Lyons, der den Goliath – die Versicherungsgesellschaft – vertrat, hatte ihr anschließend die Stelle angeboten.
    »Ja, da haben Sie John zweifellos beeindruckt. Aber das war
ein
Fall. Bei LMB haben wir es mit sehr unterschiedlichen Mandanten und Problemstellungen zu tun. Wir müssen uns vergewissern, dass Sie beidem gewachsen sind, den Mandanten und den Fällen.« Mit anderen Worten: Sie schwamm nun in einem viel größeren Teich und musste erst beweisen, dass sie auch ein Hai war.
    Sie näherten sich der Glastür zum Foyer. Kate blieb stehen und verschränkte erneut die Arme. »Wenn Sie mir keine Zivilklagen geben, finden Sie das nie heraus.«
    »Sie bekommen schon noch Ihre Chance, Kate.« Randall hielt ihr die Tür auf. »Jetzt tun Sie erst mal Ihr Bestes bei diesen Fällen, und dann
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