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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint
Autoren: Pamela Callow
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Offensichtlich hatte er nicht die geringste Ahnung, mit was für lausigen, schlecht bezahlten Jobs sie ihr Studium finanziert hatte. »Da stimme ich Ihnen völlig zu. Aber ich dachte, wir hätten etwas verabredet, als Sie mir die Stelle hier angeboten haben.«
    John nickte. »Das gilt nach wie vor. Aber wir müssen Rücksicht auf die anderen neu Angestellten nehmen – diejenigen, die ihr Referendariat bei uns absolviert haben.« Kates Zuversicht sank, doch sie blickte ihn weiter fest an. »Randall meint, dass wir es ihnen nach all den Überstunden während des Referendariats schuldig sind, ihre Karrieren ganz besonders zu fördern.«
    Das war unmissverständlich: Randall fand, sie müsste sich bei LMB ihre Sporen erst noch verdienen. Etwas anders, nicht ganz so Offensichtliches hatte Kate bereits vorher erkannt: an der Art, wie man sie in der Pausenecke kühl anlächelte und wie im Fahrstuhl die Gespräche verstummten. LMB war ein exklusiver Club. Aufgenommen wurde man normalerweise während des Jurastudiums, sofern man in Sachen Herkunft, Motivation und Noten die richtige Höchstleistungsmischung zu bieten hatte.
    Das hatte Kate nicht geschafft. Im entscheidenden zweiten Studienjahr, in dem die großen Kanzleien ihre Referendare rekrutierten, hatten sich ihre Noten verschlechtert, weil sie mit Jobs ihren Lebensunterhalt verdienen und sich zugleich um ihre kranke Mutter kümmern musste. Die vielen Jahre der Trauer, die Arbeit in Doppelschichten und eine Herzkrankheit waren am Ende zu viel für ihre Mutter gewesen.
    Doch Kate hatte durchgehalten. Sie hatte ihr Studium mit respektablen, wenn auch nicht herausragenden Noten abgeschlossen. Danach waren nur noch schlecht bezahlte Referendariate in kleinen Kanzleien zu haben. Dort wurde zwar eine Menge praktischer Erfahrung geboten, aber das Gehalt konnte man vergessen, und beruflicher Erfolg brachte einem höchstens einen neuen ergonomischen Bürostuhl ein. Kate wünschte sich anspruchsvolle Fälle. Arbeit, an der sie sich festbeißen konnte und die ihr den Weg zu einem sechsstelligen Gehalt und einem Platz auf der Richterbank ebnen würde.
    Bei
Marshall & Associates
anzufangen war da eher ein Umweg. Die Büroräume der Kanzlei waren mit den schweren alten Möbeln vollgestellt, die Madelyn Marshall so gern bei Wochenendausflügen nach Mahone Bay kaufte. Dadurch entstand eine fast wohnliche Atmosphäre, die bei der einfachen Laufkundschaft gut ankam. Kates Büro war ein umgebautes Badezimmer, in dem es immer noch nach Feuchtigkeit roch, sodass Kate sogar im Winter das Fenster offen ließ. Damals hatte sie sich etwas versprochen: In einem Jahr würde sie nicht mehr in einer Kanzlei arbeiten, in der sie lange Unterhosen tragen musste.
    Bei LMB den Fuß in die Tür zu bekommen war der erste Schritt gewesen. Aber das reichte nicht. Sie hatte vier Monate lang das brave Mädchen gespielt. Fleißig und gewissenhaft hatte sie all die Familienrechtsfälle bearbeitet. Jetzt musste sie klarstellen, dass sie nicht daran dachte, den anderen neuen Mitarbeitern den Vortritt zu lassen. »Sie haben mir bis jetzt nur Fälle aus dem Familienrecht gegeben. Wie soll ich beweisen, dass ich mehr kann, wenn ich nichts anderes bekomme?«
    John legte die Hände so zusammen, dass sich die Fingerspitzen berührten. Vermutlich wusste er genau, wie frustriert sie war. »Genau das habe ich auch zu Randall gesagt. Ich stimme Ihnen zu, Kate. Sie arbeiten jetzt seit vier Monaten hier, und bisher hört man nur Gutes.« Er senkte die Stimme. »Ich habe das heute mit Randall geklärt. Es wird Zeit, dass wir Ihnen ein paar Fälle aus der Prozessabteilung geben.«
    Endlich.
    Sie errötete vor Freude. Aber gleich darauf meldete sich Unbehagen. Sie wollte nicht, dass es zwischen den Partnern ihretwegen Streit gab. Sie wollte zum Team gehören. Sie wollte sich auf das Sicherheitsnetz verlassen können, das eine Kanzlei wie LMB bot. Was sie ganz bestimmt nicht wollte, war, in einem Machtkampf zwischen die Fronten zu geraten.
    Gerüchten zufolge hatten im letzten Jahr sowohl John als auch Randall für den Posten des Managing Partners kandidiert. Randall hatte die Abstimmung gewonnen. Deutlich. Nach Randalls gelassenem, arrogantem Auftreten in ihrem Büro zu urteilen, stimmte die Geschichte wahrscheinlich. Kate sah John erneut prüfend an. Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben, und man merkte ihm sein Alter an. Für ihn als königlichen Gründer der Kanzlei musste es bitter sein, mit einem geborenen Krieger
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