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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes
Autoren: Susan Hastings
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fest und hinderte sie daran, aus dem Schlaf wieder aufzutauchen. Noch war es dunkel um sie herum. Am Himmel funkelten die Sterne wie unzählige Diamanten. Sie sah eine Gestalt, die ihr vertraut vorkam. Ein leiser Wind spielte in den Falten seines langen Gewandes. Deutlich konnte sie den gewickelten Turban erkennen. Arkani! Der Schmerz in ihrem Inneren wühlte sie auf. Sie wollte zu ihm hinlaufen. Aber ihre Füße versagten den Dienst. Wieso konnte sie sich nicht bewegen? Und dann sah sie es. Ihre Handgelenke wurden von derben Stricken umschlossen, und diese Stricke waren an zwei Kamelen festgebunden. Panik erfasste sie. Sie schaute sich verzweifelt um. Da stand Philippe, Arkani gegenüber. Und da waren noch mehr Menschen, Soldaten in französischer Uniform, arabische Kameltreiber, Männer und Frauen in europäischer Kleidung. Es wurden immer mehr, die sich um sie scharten, neugierig, sensationslüstern, mit dem Finger auf sie zeigend, Hohn lachend, kopfschüttelnd, missbilligend, hasserfüllt. Die ganze Palette der Emotionen war auf ihren Gesichtern abzulesen. Nur nicht auf Arkanis Gesicht. Es blieb verschleiert.
    Und dann traten zwei Männer vor, in arabischer Kleidung. In dem einen glaubte Désirée den feisten Teppichhändler zu erkennen, in dem anderen den Scheich mit den Motordroschken.
    Nein!, wollte sie schreien, aber ihre Kehle blieb stumm. Die beiden Araber trugen lange Stöcke in den Händen, die sie drohend erhoben.
    Arkani trat an den Kopf des einen Kamels, Philippe an den anderen. Und dann schlugen die beiden Araber mit ihren Stöcken auf die Tiere ein. Ein irrsinniger Schmerz durchzuckte ihren Körper.
    Désirée bäumte sich auf – und erwachte. An ihrem Bett saß Philippe und schüttelte sie. Sie schlug um sich. »Geh weg, geh weg«, schrie sie.
    »Désirée, komm zu dir! Ich bin es, Philippe!«
    Sie starrte ihn an, als müsse sie sich zwingen, ihn zu erkennen. Kleine Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn und Oberlippe. Philippe wollte sie mit einem Tuch wegtupfen, aber Désirée drehte den Kopf beiseite.
    »Du hast schlecht geträumt, ma chérie«, sagte er sanft. »Aber ich bin ja da. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Sie atmete schwer aus und ließ den Kopf sinken. Philippe betrachtete sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Zorn. Auch wenn er Désirées Vater nie wirklich gram war darüber, wie er seine Tochter erzogen hatte, so machte sich doch nun bemerkbar, welche Saat er gesät hatte. Dass er sie schon als Kind mit auf seine Expeditionen genommen und ihr die Exotik des Orients nahe gebracht hatte, hielt Philippe für verderblich. Immer wieder verwischte Désirée die kulturellen Ansprüche der verschiedenen Völker und machte sich nichts daraus, sich in verrückte und gefährliche Abenteuer zu stürzen. Der alte Etienne hatte ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt, dass in der ganzen Welt unentdeckte Schätze aus dem Boden ausgebuddelt werden könnten. Man bräuchte sie nur zu suchen. Er war ein so rastloser Geist gewesen, und er hatte das Mädchen in sein Kielwasser gezogen. Mochte ihre Angewohnheit, manchmal Männerkleidung zu tragen, noch eine Art Auflehnung gegen die Spießigkeit ihrer Umgebung sein, so war dies immer noch harmlos. Wenn sie von manchen Begebenheiten auf ihren Exkursionen und Ausgrabungen erzählte, dann verspürte er schon eine ernsthafte Sorge. Und wenn ihm dieses verdammte Bergbauprojekt in der Kolonie nicht dazwischengekommen wäre, hätte er sie längst geheiratet.
    Er stellte sie sich in einem langen, weißen Kleid vor mit einem romantischen Schleier und einem Blumenkranz als Krone. Ja, als seine Frau würde sie überhaupt nicht mehr auf solche abenteuerlichen Ideen kommen und allein die Sahara bezwingen wollen.
    Zärtlich legte er den Arm um sie. »Weißt du, wir sollten bald heiraten und zurück nach Paris gehen. Dort hast du wieder dein geregeltes Leben und vergisst, was du hier erleiden musstest. Natürlich kann niemand dir deinen Vater wiederbringen. Aber jetzt bin ich für dich da, werde für dich sorgen, dich behüten und dich lieben.«
    Sie dachte nach. Vor ihren Augen leuchtete das trügerische Bild der Sicherheit auf, nach dem sie die Hände ausstreckte. Ein geregeltes Leben, in einer gepflegten Umgebung wohnen, das Dienstmädchen bügelte die Kleider und Philippes Hemden, und vor dem Haus ratterten die Kutschen vorbei. Einer davon entstieg Philippe, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam und begrüßte sie mit einem zärtlichen Kuss. Dann saßen sie
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