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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Autoren: Carol Grayson
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Marquis de Montespan im Wohnraum vorfand. Julien hatte es sich gemütlich gemacht. Schon seit Stunden spürte er das Näherkommen seines Mündels wie eine Vorahnung, und so hatte er die Zeit genutzt, um in diesem schlichten Heim ein angenehmes Ambiente zu schaffen und letzte Vorbereitungen zu treffen. Wenn es sein musste, so würde er Marcel auch gegen seinen Willen zu verführen wissen!
    „Wo ist Silvio?“, fragte dieser zornig den Marquis, als er sich von dem ersten Schreck erholt hatte. Am liebsten wäre er dem Adeligen an die Kehle gesprungen. Aber ein solcher Kampf konnte übel für ihn ausgehen.
    „Gemach, gemach, mein lieber Marcel, ich bin sicher, es geht ihm gut – den Umständen entsprechend. Es liegt ganz bei dir, ob es auch so bleiben wird. Möchtest du nicht Platz nehmen?“, war die listige Antwort.
    Julien saß in einem Sessel, vor sich ein Glas Rotwein – sofern es sich im Halbdunkeln erkennen ließ – und ein aufgeschlagenes Buch. Irgendetwas verwirrte Marcel an der Atmosphäre dieses Raumes. Die Fenster waren mit langen Vorhängen verhangen, dicke Teppiche dämpften jeden Schritt. Ein Feuer im Kamin, die wenigen aber stilvollen Möbel – all das war schon vorher da gewesen. Auf dem Tisch stand ein Strauß tiefroter Rosen, der einen Duft nach Sommer in den kühlen Herbst brachte. Sie mussten ein Vermögen gekostet haben! Aber auch das war es nicht. Marcel legte den Reitmantel und den Hut ab.
    „Bitte, mach es dir ruhig gemütlich. Du hast schließlich eine anstrengende Reise hinter dir“, forderte der Marquis ihn auf. „Ich bewundere übrigens deine Klugheit. Du hast die Lösung für dein Problem offensichtlich ohne mein Zutun gefunden. Oder hat dir jemand dabei geholfen?“
    Ohne darauf zu antworten, zog Marcel die Reitstiefel aus und legte den Gehrock ab. Er wusste genau, dass auch im Halbdunkeln die Blicke des Marquis auf ihm ruhten. Er konnte sie fast körperlich spüren.
    „Wo ist Silvio?“, fragte er erneut, diesmal mit mehr Besonnenheit. Ein leichter Schwindel ergriff erneut von ihm Besitz. Jetzt wusste er auch, was ihn hier störte: Der Geruch in diesem Raum war der gleiche wie in der Kathedrale – Weihrauch.
    Julien nickte mit einem vielsagenden Lächeln, als er den Gedanken seines Lieblings erfasste. „Ja, mein Lieber. Es ist Weihrauch. Er wirkt auf uns Vampire so ähnlich wie Opium auf die Menschen. Du wirst dich also außerordentlich wohlfühlen heute Nacht, was natürlich nicht nur daran liegen wird. Morgen werde ich dir das Versteck deines dummen kleinen Freundes verraten. Aber nicht vorher!“
    Nein!, dachte Marcel. Alles, nur das nicht! So kurz vor dem Ziel!
    Panik ergriff ihn Er fürchtete um das Leben seines Freundes. Silvio musste diesen Ring unbedingt haben, den er immer noch am Körper bei sich trug. Der Marquis beobachtete, wie er an die Stelle unter seinem Hemd griff.
    „Ah, es ist dir anscheinend gelungen, einen geweihten Ring zu beschaffen. Kluger Bursche!“, stellte er in ruhigem Tonfall fest. „Allerdings war es töricht von dir, dein Schloss verkaufen zu wollen. Das hat mich erst auf eure Spur gebracht. Dieser Junge scheint dir ja einiges wert zu sein. Nur schade, dass ich dich nicht fortlassen werde, damit du ihn aushändigen kannst.“
    Aber ganz kampflos wollte Marcel sich nun doch nicht ergeben. „Dann lass wenigstens jemand anderen den Ring zu Silvio bringen! Dafür bin ich bereit, mich für immer von ihm zu trennen. Lass mich mein Werk als Vampir vollenden“, forderte er.
    „Denkst du wirklich, du kannst mir Bedingungen stellen? Nach allem, was ich für dich auf mich genommen habe? Wenn du damals nicht fortgelaufen wärst in deinem Starrsinn …“, murmelte der Marquis mehr zu sich selbst. Andererseits, was hatte er zu verlieren? Morgen früh würde der Schoner von Mercier auslaufen und mit ihm Silvio, hübsch verpackt in einer Kiste.
    „An wen denkst du da?“, fragte Julien lauernd. Marcel hatte sich inzwischen hingesetzt. Seine Beine gaben immer mehr nach, und er wollte sich diese Schwäche nicht eingestehen. Doch seine Gedanken vernebelten sich zusehends. Er musste sich zusammenreißen, um mit möglichst fester Stimme zu antworten: „Ich möchte, dass Townsend Silvio den Ring übergibt. Ich vertraue ihm.“
    „Ich nicht!“, spottete der Marquis, gab aber dennoch nach. „Ich habe seine Anwesenheit im Haupthaus gespürt. Ich werde ihn holen“, schlug er vor und erhob sich. „Dann kannst du ihm dein Abschiedsgeschenk an deinen Freund
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