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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Autoren: Carol Grayson
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übergeben. Aber wage es nicht zu fliehen, sonst würde es Silvio schlecht bekommen.“
    Marcel kurz atmete auf, als Julien gegangen war, doch er spürte, dass er in einer üblen Falle saß.
    Der Engländer war nicht gerade begeistert, mitten in der Nacht von einem Vampir geweckt zu werden, aber Julien duldete keinen Widerspruch. Also zog Townsend sich murrend an und folgte dem Adeligen in das Gartenhaus. Schrecken und Freude wechselten sich in seinem Gesicht ab, als er den Chevalier dort erkannte. Aber dieser schien nicht ganz bei Kräften zu sein. Er wirkte noch blasser als sonst und seine Bewegungen waren fahrig.
    „Es geht ihm gut“, beruhigte Julien auf Townsends besorgten Blick hin. Dann streckte er die Hand zu Marcel hin aus. Dieser legte den Samtbeutel mit dem Ring in seine Hand und der Marquis übergab ihn weiter an den Briten.
    „Bringt dies an Bord der LA ROCHELLE . Dort findet ihr seinen Gefährten wohlbehalten im Frachtraum. Übergebt ihm dieses Kleinod und richtet ihm Marcels Abschiedsgrüße aus.“
    Mit diesen Worten stieß der Adlige den hageren Engländer fast über die Schwelle hinaus in die Nacht und verschloss die Türe hinter ihm. Danach wandte er sich wieder seinem Mündel zu.
    „Wieso betäubt der Weihrauch dich nicht?“, fragte Marcel ihn mit schwerer Zunge.
    Der Marquis lächelte hintergründig. „Ich habe ihn schon zu oft eingeatmet. Einer von uns sollte schließlich einen kühlen Kopf bewahren.“
    Mit diesen Worten hob er den jungen Mann wie eine Puppe aus dem Sessel und brachte ihn in den Schlafraum nebenan, wo sich der Duft noch verstärkte. So hatte er ihn schon einmal davon getragen in jener Nacht der Wandlung, als er mit einem tödlichen Gift von seiner Halbschwester zum Tode verurteilt worden war. In seinen Armen war er gestorben und zu einem neuen Leben erwacht. Heute sollte er dies wieder tun.

Townsend trieb das Ross in schnellem Trab über das Kopfsteinpflaster durch die Straßen in Richtung Hafen. Ab und zu rutschte es mit den Eisen an den glatten Steinen ab. Doch darauf konnte sein Reiter jetzt keine Rücksicht nehmen. Es dauerte eine Weile, bis er den Segler LA ROCHELLE gefunden hatte. Kein Schiff, dem man seine besten Waren anvertrauen würde! Seine Takelage wirkte genauso zerschlissen wie die Kleidung seiner Besatzung. Dem Wachhabenden rief er vom Kai aus zu: „Wo finde ich Kapitän Mercier?“
    Der alte Seemann grinste, zeigte dabei unübersehbaren Zahnlücken und spuckte einen Priem aus. „Na in der Kneipe, wo sonst, guter Mann? Der zockt noch bis zum Morgengrauen, kann ich Euch sagen.“
    „In welcher Kneipe?“, rief Townsend verzweifelt zurück, während er den Gaul wendete.
    „Im Bateau Perdu . Aber das ist wahrlich kein Etablissement für Euer Gnaden!“ Ein kehliges Lachen folgte der Auskunft, doch Townsend war bereits weiter geeilt.
    Im besagten Lokal ging gerade eine Schlägerei zu Ende. Tisch, Bänke und Flaschen waren dabei zu Bruch gegangen, als man Kapitän Mercier als Falschspieler beim Würfeln bezichtigt hatte. Ein Teil seiner Mannschaft hatte ihn gegen die Meute verteidigt und ebenso viele Blessuren davon getragen wie die anderen Spieler.
    Kapitän Mercier selbst verteidigte gerade seinen Spielgewinn mit einem Säbel in der Hand. „Kommt schon, ihr feigen Hunde“, rief er aus und schwang die Klinge über seinem Kopf, doch niemand hatte noch Lust auf eine Fortsetzung des Kampfes. Er schien wieder sichtlich angetrunken. Der bullige Wirt hatte alle Hände voll zu tun, die aufgebrachten Matrosen zu beruhigen und warf einen nach dem anderen einfach hinaus. Mercier hatte inzwischen wieder Platz genommen und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken.
    Townsend rüttelte ihn unsanft. „Kapitän, ich brauche Eure Hilfe. Ich muss wissen, ob Ihr in den letzten Tagen einen jungen Mann an Bord genommen habt.“
    „Hä? Bei uns gibt es keine jungen Männer, nur alte Knochen!“, lachte der Seemann und genehmigte sich noch einen Schluck. Er schien plötzlich wieder hellwach zu sein.
    Townsend setzte sich erschöpft ihm gegenüber an den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen. Hatte der Marquis ihn belogen?
    „Na, na, guter Mann. Hier, trinkt erstmal was, löst den Kummer und die Zunge“, meinte der alte Haudegen besänftigend und bot ihm sein Bier an. Der Engländer schob den Krug von sich.
    „Das nützt auch nichts mehr. Ich reite am besten zurück. Vielleicht kann ich noch einen von beiden retten.“
    „Darauf trinke ich!“, sagte der Kapitän
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