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Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Titel: Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
Autoren: Kim Kestner
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verschluckt, und die dicken, viel zu kurzen Beinchen steckten in einem orangefarbenen und einem blauen Schnabelschuh. Über seine Schultern fielen allerlei bunte Bänder, was an einen mit Lametta behangenen Weihnachtsbaum erinnerte.
    Als Loo wild gestikulierend vor dem Bett stand, überragte Timothy ihn um fast einen Kopf, obwohl er saß. Loo ließ Timothy gar nicht zu Wort kommen, so aufgeregt war er.
    »Timothy, endlich! – Endlich ist es soweit!« Das von Lachfalten durchzogene Gesicht zuckte aufgeregt. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe: jahrelang geschwiegen, nie die Wahrheit sagen können, dir nichts erzählen dürfen!« Das Männchen schien völlig aufgelöst und fing plötzlich an zu schluchzen.
    Timothy sah Loo mit großen Augen an. »Was verschwiegen, verdammt noch mal?«, platzte er heraus und wusste nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte.
    Als Loo mit bebender Unterlippe zu Timothy hoch sah, bereute der sofort, ihn so angeherrscht zu haben. Mit unbeholfener Geste legte er seine Hand auf Loos Schulter. »Ich hab's nicht so gemeint. Es ist nur«, Timothy stockte, »ich habe langsam das Gefühl, vollkommen durchzudrehen, weißt du?«
    Doch das machte es nicht besser. Jetzt rannen seinem Freund dicke Krokodilstränen über das Gesicht, und aus seiner Nase begann ein unappetitlicher Schleim zu laufen.
    »Du warst plötzlich verschwunden, einfach weg, wir dachten schon, du hättest dich krista… – äh … aufgelöst. Einfach weg! Ohne ein Wort«, schluchzte er, schlang seine kurzen Ärmchen um Timothys Bauch und schniefte lautstark.
    »Loo!« Timothy befreite sich. Ein langer, milchiger Rotzfaden glitt tropfend an seinem Pyjama herunter, und Loo grinste entschuldigend.
    »Hat Godo dir mein Geschenk gegeben?«, fragte er neugierig.
    Timothy war erleichtert, dass sein Freund nicht mehr weinte, und wollte nicht den nächsten Gefühlsausbruch riskieren.
    »Wir haben auf dich gewartet«, fing er deswegen zögerlich an und nagte an seiner Unterlippe. Wie gut waren Godo und Loo befreundet gewesen? Timothy hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, den Riesen danach zu fragen. Godo hatte etwas von einem Tipp gesagt, bei dem er gegen Loo gewonnen hatte. Sie mussten sich zumindest ab und zu gesehen haben.
    »Es ist etwas passiert …«, begann er und erzählte seinem Freund stockend von dem Reif, der ihnen die Sicht durch das Fenster genommen hatte, der Kälte, den Eiskristallen und schließlich dem kleinen Häufchen Asche, das von Godo übriggeblieben war, bevor es ganz verschwunden war.
    Loo hatte sich auf Timothys Bett niedergelassen und wirkte bei jedem Wort bestürzter. Als Timothy schließlich geendet hatte, war er vollkommen in sich zusammengesunken.
    »Godo also auch«, flüsterte er. »Du gütiger Dan – es werden immer mehr, und anscheinend hat es schon unsere Provinz erreicht.«
    »Was bedeutet das? Immer mehr?«
    Loo sah auf. »Es bedeutet, dass uns keine Zeit mehr bleibt! Wir müssen aufbrechen.«
    »Aufbrechen? Wohin? Loo, ich versteh nur Bahnhof!«
    »Der Ältestenrat hat mich zwar angewiesen, dich gut auf das Bevorstehende vorzubereiten, aber die Dinge haben sich geändert, Timothy. Wir haben jetzt wirklich keine Zeit mehr dafür! Ich wünschte, ich könnte dir in Ruhe alles erklären, also das mit den Lemuren und Dämonen und Pentraden und der Grotte und dem Decertum und –« Loo hieb sich auf den Schenkel und sprang auf. »Wir müssen los!«
    · ~ ·
    Darius wandte sich dem Troll zu. Dieser saß über ein Pergament gebeugt an der steinernen Tafel und wartete, dass seine Dienste gebraucht wurden. Trolle galten als sehr verschwiegen, weshalb sie oft als Schreiber oder Boten tätig waren. Sie konnten uralt werden und trugen jede Menge Geheimnisse in sich. Wie viele der Dämonen hatten auch sie spitze Ohren, die allerdings seitlich von ihrem birnenförmigen Kopf abstanden. Ansonsten waren Trollschädel kahl, denn Haare hatten sie nur auf den Füßen. Ihre Gesichter sahen ausnahmslos aus, als wären sie aus brüchigem Leder modelliert worden, besonders bei den Alten. Der Troll am Tisch war demnach sehr alt, viel älter als Darius, und das wollte schon was heißen.
    Der Dan räusperte sich und fing an zu diktieren: »Für die Archive. Am zweiten Diur des elften Mondes fasst der Rat der Ältesten folgenden Beschluss: Der Menschenjunge Timothy wird in das Reich der Lemuren eingeweiht werden. Der junge Loo, aus dem Hause der Coloren, wird diese Aufgabe übernehmen und den Jungen
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