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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst
Autoren: Marcus Sakey
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anderen beiden, die Augen wachsam. Sie liefen quer über die Erie Street und bogen in eine kleine Gasse ein. Glassplitter knackten unter Jacks Schuhen.
    Als sie von den Schatten verschluckt wurden, zog er seine Pistole und entsicherte sie.
    Drinnen wartete Marshall Richards, bis die Barkeeperin im bauchfreien Shirt in die andere Richtung guckte, bevor er das dickwandige Whiskeyglas umdrehte und den Inhalt schnell auf den Boden plätschern ließ. Als das Mädchen wieder herschaute, sog er die Luft scharf zwischen den Zähnen ein und knallte das Glas auf den Tresen.
    »Noch einen?«, rief sie.
    »Immer.« Marshall stützte sich mit dem Ellbogen auf die Kante der Theke, rutschte mit großer Geste ab und fing sich im letzten Moment. Während seine Lippen ein »Upps« formten, lächelten seine Augen gewinnend. Das Mädchen schüttelte den Kopf und schenkte ihm nach, wobei sie den Arm so weit hob, dass zwischen Flasche und Glas ein bernsteinfarbener Streifen schimmerte – ein wirklich schöner Trick. Dann schnappte sie sich einen Zwanziger von dem Bündel Scheine, das Marshall auf der Tischplatte deponiert hatte, und wandte sich ab.
    Er nahm den Drink in die Hand und drehte sich auf dem Barhocker um, immer darauf bedacht, nicht den Boden zu berühren. Dort hatten sich mittlerweile neun Whiskeys versammelt, eine beachtliche Pfütze. Wahrscheinlich war dieses Säufer-Theater überflüssig, aber man konnte nie wissen, welche Bälle das Leben in der Hinterhand hatte. Ein schlauer Schlagmann bereitete sich auch auf die unberechenbaren Dinger vor.
    Die VIP-Lounge grenzte an den zentralen Raum des Clubs. Ein Türsteher mit kahlrasiertem Kopf stand Wache, durchscheinende, grün schimmernde Vorhänge bauschten sich im Luftzug und versperrten dem gemeinen Volk den Blick. Dahinter tanzte eine Bande betuchter Mittzwanziger, zuckende Schatten im knallbunten Lasergewitter. Marshall musste an ein Gemälde von Hieronymus Bosch denken, an die Vision einer schwitzenden Hölle. Es war noch früh, nicht mal Mitternacht, so dass sich nur eine Handvoll Very Important People in der Lounge tummelte: Ein Grüppchen nuckelte an einer Flasche Dreißig-Dollar-Wodka, für die sie zwei Hunderter auf den Tisch gelegt hatten. Ein steinreicher alter Knacker fummelte an dem Strumpfhalter seiner Freundin herum, wahrscheinlich eine Stripperin. Zwei Lesben, dick mit Lippenstift beschmiert, hatten sich unter die Leute gemischt, um dem Ganzen einen Hauch Verruchtheit zu verleihen. Und ganz hinten an der Bar hockten zwei Schwarze – Marshalls Zielpersonen.
    Der Boss war eine sehr stilvolle Erscheinung, mit seinem exakt geschnittenen Schnurrbart, der goldenen Rolex, die unter seinen Manschetten funkelte, und dem maßgeschneiderten Anzug – Armani, versteht sich. Der andere drohte, seinen Sean-John-Trainingsanzug mit seinen Muskeln zu sprengen; offensichtlich der Mann fürs Grobe. Armani trank Selters, sein Bodyguard überhaupt nichts. Marshall lächelte in sich hinein, kippte den nächsten Whiskey aus und bestellte gleich noch einen.
    Kaum hatte die Barkeeperin eingeschenkt, piepte das Handy des Bosses. Marshall legte das Kinn in die Hände und blickte gedankenverloren in die Ferne, als würde er in die schönsten Whiskeyträume entschweben. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie der Typ das Telefon auf klappte und eine Nachricht auf dem Display überflog, um danach in Höchstgeschwindigkeit auf den Tasten herumzudrücken. Nachdem er die Antwort abgeschickt hatte, warf er einen Fünfziger auf den Tresen und ließ sich vom Hocker gleiten. Der Bodyguard schloss sich ihm an.
    Marshall zählte bis dreißig, bevor er sein Wechselgeld einsammelte, die Scheine zusammenfaltete und in die Innentasche steckte. Den Whiskey in der Hand, wankte er in Richtung Treppe. Der Türsteher gähnte nur und schaute ohne Interesse an ihm vorbei.
    Unter Marshalls Füßen vibrierte die Tanzfläche, der Bass wummerte in seinem Magen, während ein Fergie-Remix immer wieder zum Besten gab, wie »delicious« sie sei, wie »tasty tasty laced with lacey«. Körper rieben sich auf engstem Raum aneinander, es roch nach Kölnischwasser und Begierde. Marshall blickte hinüber zu der Treppe, die sich klar einsehbar über der Tanzfläche in die Höhe wand – Stufen aus messerscharf geschnittenem Glas, das im Schein der Laserspots blitzte. Boss und Bodyguard waren gleich oben. Perfekt.
    Marshall musste den Drink mit dem Körper abschirmen, während er sich zur hinteren Wand kämpfte. Pärchen
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