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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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möchte. Ein Tabuverbot gilt ganz aus sich heraus. Dementsprechend sind Tabuverbote ausgesprochen starke Verbote.
    Beispiel Inzesttabu: Dass Brüder nicht mit ihren Schwestern schlafen sollen oder Väter nicht mit ihren Töchtern, ist eine Regel, die nach Ansicht der meisten Volkskundler in allen Kulturen gilt. Dass so etwas gar nicht geht, weiß jeder und jede, immer und überall. Dieses Beispiel zeigt auch: Ein Tabuverbot kann so stark sein, dass man über etwas gar nicht spricht oder den Gedanken daran nicht zulassen möchte. Mancher Leser wird bei den letzten Zeilen gedacht haben: Was schreibt er denn da jetzt? Brüder mit Schwestern? Väter mit Töchtern? Spinnt der? Igitt. So etwas auch nur zu denken, geht gar nicht. Das ist tabu.
    Dass man aber sogar mit dem Inzesttabu ganz anders umgehen kann, haben vor etwa 3300 Jahren die Pharaonen im alten Ägypten gezeigt. Wissenschaftler, die das Erbmaterial untersuchten, das sich in Mumien finden lässt, haben herausgefunden: Die Eltern des bekannten Pharaos Tutanchamun waren Geschwister. Tutanchamuns Vater war also gleichzeitig sein Onkel, und seine Mutter war auch seine Tante. Aber auch Tutanchamun selbst heiratete innerhalb seiner engsten Verwandtschaft. Seine Ehefrau Anchesenamun war seine Halbschwester. Sie hatte zwar eine andere Mutter, aber den gleichen Vater wie ihr Ehemann. Tutanchamuns Großvater Amenophis III hatte eine noch eigentümlichere Ehe geschlossen. Er hielt es für eine gute Idee, seine Tochter zur Frau zu nehmen. Über diese bizarren Familienverhältnisse ist in den bunten Kinder- und Jugendbüchern über die alten Pharaonen meist nichts zu lesen.
    Man muss aber nicht Jahrtausende in die Vergangenheit blicken und ins ferne Ägypten schauen, um etwas über einen Herrscher zu lesen, der sein eigenes Kind heiraten möchte. In einer Geschichte mit dem Titel »Allerleirauh«, die die Gebrüder Grimm in ihre Märchensammlung aufgenommen haben, geht es um einen König, der sein Kind zur Frau nehmen möchte. »Da sprach er zu seinen Räten: Ich will meine Tochter heiraten«, heißt es in den Grimm’schen Märchen. Der Prinzessin graust es allerdings bei dem Gedanken. Das Mädchen flieht vor seinem Vater.
    In vielen Sammlungen der Grimm’schen Märchen lassen die Herausgeber diesen Text lieber weg. Hänsel und Gretel, Frau Holle, Rotkäppchen – solche Geschichten gehen in Ordnung. Aber ein Text über einen König, der gegen das Inzesttabu verstoßen möchte? Damit wollen die meisten Herausgeber von Märchenbüchern ihre Leser lieber nicht verwirren.
    Als Begründung für das Inzesttabu gibt es nach Ansicht von Wissenschaftlern mehr als nur den Gedanken »Igitt« . Wenn enge Verwandte gemeinsam Kinder zeugen, ist die Gefahr groß, dass diese Kinder mit schweren Behinderungen auf die Welt kommen. Allein schon aus diesem Grund ist es vernünftig, wenn menschliche Gesellschaften Inzest zum Tabu machen. Wobei sich nicht sicher klären lässt, ob bereits in früheren Zeiten dieser Grund mitspielte, als auf der ganzen Welt in allen möglichen Kulturen das Inzesttabu fest verankert wurde. So oder so: Dafür, dass Sex unter Blutsverwandten verboten ist, gibt es Argumente, die über das reine »Igitt« hinausgehen. Bei anderen Tabus tut man sich schwerer, wirklich vernünftige Begründungen zu finden. Bei den Nahrungstabus etwa.

    Warum eigentlich keine Käfer essen? Oder keine Schweine?
    Im hinduistischen Glauben ist es streng untersagt, Kühe zu schlachten und zu essen. Diese Tiere gelten als heilig. Dementsprechend ist es in vielen Bundesstaaten Indiens, die hinduistisch geprägt sind, auch durch Gesetze verboten, Kühe zu töten. Ein anderes Nahrungstabu gilt für gläubige Juden und Moslems. Ihnen ist es streng verboten, Schweinefleisch zu essen. Auch hier wird dieses Verbot mitunter in Gesetzen festgeschrieben. Wer nach Saudi-Arabien reist, den warnt das deutsche Außenministerium: Schweinefleisch dabeizuhaben, ist »strengstens verboten«. Solche Verbote gelten jedoch nicht, weil Moslems oder Juden Schweine als heilig verehren, so wie es die Hindus mit Kühen tun. Im Gegenteil. Für diese Religionen sind Schweine schmutzige, unreine Tiere.
    Wissenschaftler haben verschiedenste Erklärungen gesucht, warum Menschen (sofern sie nicht sowieso Vegetarier sind) bestimmte Tiere als Nahrungsmittel lecker finden
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