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Ihr Freund, der Ghoul

Ihr Freund, der Ghoul

Titel: Ihr Freund, der Ghoul
Autoren: Jason Dark
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niemanden gesehen.«
    »Tatsächlich nicht?«
    »Nein.«
    »Drehen Sie denn regelmäßig Ihre Runden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wie kommen Sie darauf? Ich bin doch nicht als Wächter angestellt, sondern als Überwacher.« Er hob den rechten Zeigefinger. »Das ist ein großer Unterschied.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Gibt es überhaupt Nachtwächter?«
    »Ja, manchmal dreht einer von uns bei der Nachtschicht seine Runden. Wie gesagt, wir überwachen nur. Haben Sie in meiner Bude das kleine Steuerpult nicht gesehen?«
    »Schon.«
    »Da sitze ich vor.«
    Ich nickte. »All right, Mr. Ziegler. Ich gehe jetzt zu meinem Wagen zurück und werde mich um die Sache kümmern. Dann schicke ich Ihnen jemanden, der die Knochen einsammelt und zum Yard zur Untersuchung bringt. Ist das in Ihrem Sinne?«
    »Da fragen Sie noch?«
    Ich griente, denn ich konnte mir gut vorstellen, wie happy Ziegler war, dass er mit der Sache nichts mehr zu tun hatte. Diesmal ging ich vor. Als wir an seiner Bude angelangt waren, verabschiedete ich mich von ihm.
    »Finden Sie den Weg zurück?«
    »Klar, ich habe ihn auch hergefunden.«
    »Dann bis später.«
    Ich ging los. Der Regen sprühte jetzt von der Seite heran, aber das Wasser hatte sich am Kragen gesammelt und rann unangenehm kalt in meinen Nacken. Der Steg war nach ungefähr zweihundert Yards erst zu Ende. Über eine Leiter erreichte ich wieder das normale Erdniveau. Ich befand mich weiterhin auf dem Gelände der Kläranlage. Die Themse lag nicht weit entfernt. Über dem Wasser schwebte ein dünner Dunstfilm. Hin und wieder hörte ich das Tuten einer Schiffssirene. Über Kies und Gras schritt ich dem großen Gittertor entgegen, das man für mich extra geöffnet hatte. Mein Bentley parkte noch auf dem Gelände der Kläranlage. Um die Becken von außen her vor neugierigen Blicken zu schützen, hatte man dicht hinter dem Zaun hohe Bäume angepflanzt. Ein umweltaufbauender Mischwald, dessen Blattwerk auf dem Boden eine weiche Schicht bildete, durch die ich ebenfalls laufen musste. Einsam und verlassen stand mein Bentley vor dem Tor. Sein Lack besaß nur noch einen matten Glanz. Auch dieser alte Knabe kam allmählich in die Jahre. Ich aber wollte ihn fahren, so lange es nur eben möglich war. Bevor ich einstieg, wischte ich mir das Wasser aus den Haaren. Dann zündete ich mir eine Zigarette an und schaute sinnend dem blauen Dunst nach. Schon mancher Fall hatte relativ harmlos angefangen und sich dann zu einer Bombe entwickelt.
    Auch ich hatte in diesen Augenblicken das Gefühl, als würde ich auf einem Pulverfass sitzen, dessen Lunte bereits brannte…
    ***
    Als die Frau das Geschäft betrat, wusste Eve Bennett sofort, dass sie nichts kaufen würde und sich nur aufwärmen und trocknen wollte, weil es draußen regnete und zudem noch kalt war.
    Trotzdem lächelte sie freundlich. »Guten Tag, Madam, was kann ich für Sie tun?«
    Die Frau blieb stehen. Sie trug einen Topfhut und einen unmodernen braunen Mantel. Wassertropfen verzierten ihre Brillengläser, und die Hände steckten in dünnen Handschuhen. Mit der Rechten hielt sie den gekrümmten Griff des Stockschirms fest. Das Wasser floss an der Außenhaut entlang und tropfte zu Boden.
    »Danke, mein Kind, ich will mich nur einmal umsehen. Sicherlich finde ich mich allein zurecht.«
    »Sehr wohl, Madam«, erwiderte Eve weiterhin freundlich, verdrehte aber die Augen, als sich die Frau von ihr abwandte.
    So war es oft in der letzten Zeit. Da kamen Kunden, schauten sich um, schnüffelten und wirkten manchmal so arrogant, als wollten sie die ganzen Bestände aufkaufen.
    Wenn die Kunden dann doch nichts gekauft und den Laden verlassen hatten, wurde Eve von Mr. Carruthers zur Rechenschaft gezogen, als hätte sie den Kunden vom Kauf abgeraten.
    Carruthers & Carruthers, so hieß der Laden. Es war ein Wäschegeschäft. Keines von den modernen, die sich überall etabliert hatten und auch Sex-Wäsche verkauften, nein, bei Carruthers & Carruthers wurde noch so bedient und verkauft, wie es schon vor 25 Jahren der Fall gewesen war, als der ältere Bruder noch gelebt hatte. Jetzt führte der jüngere Mr. Carruthers das Geschäft allein. Er war Junggeselle, aber auch schon fast an die Fünfzig. Ein Typ, den die meisten Menschen nicht mochten. Höchstens einige Kunden, denen er schmeichelte. Hart dagegen war er zu seinen Angestellten, wie Eve Bennett schon oft erfahren hatte. Aber was sollte sie machen? Es gab so gut wie keine Stellen. Sie war froh, als
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