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Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)

Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)

Titel: Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
Autoren: Peter Nowotny
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befestigt, das krankhaft verwachsen war und zu dem Gesicht seines Trägers passte. In seiner zerfurchten Wildheit, mit dem verschlagenen Blick seiner schwarzen Augen und einer knollig gewachsenen Nase sah der Mann eher zum Fürchten aus.
    Eine der beiden Frauen, die sich den Gämsbock gegriffen hatten, war noch jung. Sie hatte ein sackartiges Kleid aus dem geschabten Leder eines Steinbockes an, das in der Mitte von einem bunten Flechtgürtel zusammengerafft wurde. Hinter ihrem Stirnband oberhalb des breit-knochigen, mit Rötel bemalten Gesichtes steckten die gleichen Federn wie bei dem Bockträger. Dieses Zeichen und die Blicke der Frau verrieten ihre Zuneigung zu ihm.
    Finster verfolgte der Krummbeinige mit dem Rehbockgehörn die Blicke der beiden. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. Einst hatte diese Frau ihm gehört. Dann war eines Tages ein jüngerer Jäger aus einer anderen Gruppe gekommen, dem sie sich zugewandt hatte. Seither lebten sie zusammen. Langsam holte der Mann seine Axt, einen abgerundeten Stein von zwei Faustgrößen, zu sich heran. Seine Finger umschlossen krampfartig den Stiel, den er sich vor einiger Zeit geschnitzt hatte.
    Heute Nacht, dachte er, wenn die Eulen schreien und lautlose Schatten über ihrem Lager schweben, heute Nacht …
    Den Jäger mit dem Federband fand man am nächsten Morgen ein Stück abseits des Lagers neben der toten Frau, die sein Zeichen trug. In ihrem Herz steckte ein Feuersteindolch. Der Kopf des Mannes war von einem gewaltigen Schlag zerschmettert worden, und noch im Tod schien er die junge Frau schützen zu wollen.
    Der Grobschlächtige war seit jener Nacht verschwunden und wurde nie wiedergesehen. Die Gruppe begrub die Toten unter Wehklagen. Dann löste sie das Lager auf und verschwand für immer.
    Dort aber, wo die Toten ruhten und das Lager der Jäger und Hirten gewesen war, geschahen seither seltsame Dinge, die späteren Besuchern, bis in die Neuzeit, Schauer über den Rücken jagten.
    Die einen wollen dabei zwei Menschen in urzeitlicher Kleidung, andere einen Auerhahn mit seiner Henne gesehen haben, wieder andere zwei Raben kreisen, und weitere schworen, dass sie immer an der gleichen Stelle ein Gämskitz mit seiner Mutter hatten stehen sehen. Aber alle waren spurlos verschwunden, sobald man näher kam.
    Und manchmal hallte bei Vollmond der einsame Klang eines Alphornes von den Wänden des Hohen Ifen wider, und der klagende Ruf eines Kauzes durchbrach die Stille der Nacht …

Heute
    Herbst
    1 Hauptkommissar Paul Wanner saß in seinem neuen Büro in der Hirnbeinstraße und philosophierte vor sich hin. Seit man die Kriminalabteilung aus dem Polizeipräsidium ausgegliedert und im ehemaligen »Haus der Milch« neu eingerichtet hatte, musste er sich erst an die neue Aussicht gewöhnen. Da sein neuer Dienstsitz im belebten Zentrum der Stadt lag, drang der Straßenlärm durch die angeblich schalldichten Fenster herein. Womöglich hatte sich Wanner noch zu wenig akklimatisiert, deshalb reagierte er auch auf jedes noch so kleine Geräusch.
    Ein bisschen wehmütig dachte er an das großzügige Gebäude »Auf der Breite« in Illernähe zurück. Es hätte zwar nie einen Schönheitspreis gewonnen, aber es hatte über große Zimmer und breite Flure verfügt, auch wenn diese durch die Ziegelbauweise etwas düster gewirkt hatten. Hier, in diesem ehemals der Milchwirtschaft gehörenden Gebäude, erinnerte noch so manches an die alten Bewohner.
    Der Hauptkommissar seufzte vernehmlich. Tempora mutandur, dachte er und freute sich, dass er diesen lateinischen Halbsatz noch aus seiner Schulzeit zusammenbrachte: Die Zeiten ändern sich. Paul Wanner wirkte sportlich. Seine achtundvierzig Jahre sah man ihm nicht an. Und er litt weder an Übergewicht, noch wies sein Gesicht nennenswerte Falten auf. Das kurz geschnittene Haar hatte noch seine Naturfarbe, wenn sich auch schon einige graue Spielverderber einzumischen begannen. Er hielt sich beim Essen zurück, so wie Lisa, seine Frau. Auch sie war schlank geblieben und angenehm anzusehen, worauf Paul besonders stolz war. Sie kochte gerne mediterran, und ihre Zutaten bezog sie direkt aus der Toscana. Eine Bekannte von ihr besaß dort eine kleine Fattoria mit Olivenbäumen, Kräutern und etwas Weinbau. Zweimal im Jahr belud sie ihren Kombi und brachte die Sachen zu mehreren Abnehmern im Allgäu.
    Paul Wanner liebte Sport. Und Bergsteigen war eine seiner großen Leidenschaften. Auf die höchsten Berge im Allgäu – wie
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